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Bruno S. Frey, zvg.

Kontraproduktive Kontrollen

… und hohe Folgekosten.

Nicht nur beim Staat, auch innerhalb privater Firmen und in der Zivilgesellschaft scheint die Bürokratisierung ein kaum aufzuhaltendes Phänomen zu sein. Ein wichtiger Katalysator dafür: die Medienlandschaft, Social Media inbegriffen, die, um Aufmerksamkeit buhlend, Skandale und Skandälchen bewirtschaftet und Shitstorms anfeuert. Konstruieren wir ein harmloses Beispiel: Ein Professor bucht bei einem Langstreckenflug wiederholt die 1. Klasse. Das entspricht nicht den Richtlinien, passiert aber generell nur selten – nehmen wir an, bei 2 Prozent aller Flüge. Ein gefundenes Fressen für Print­medien und Social Media, wobei in diesem Fall – ironischerweise – Staatsskeptiker wohl eine tragende Rolle übernähmen.

Der Shitstorm zieht meist schnell ab, doch oft aktiviert er die Politik, die auf bürokratischem Weg eine Wiederholung des stossenden Ereignisses zu verhindern versucht: Auch wenn sich die übrigen 98 Prozent an die Regeln halten, wird einschränkender reguliert, schärfer kontrolliert und bestraft. In den meisten Fällen ist der Nutzen dieser bürokratischen
Interventionen gering. Doch das wird üblicherweise ignoriert, denn der dadurch entstehende zusätzliche Aufwand bleibt schlicht unberücksichtigt. Diese Entwicklung kann als «98-Prozent-zu-2-Prozent-Prinzip» bezeichnet werden. In vielen Fällen werden Richtlinien und Vorschriften noch weniger häufig verletzt, aber auch dann werden die Regeltreuen kujoniert, wenn eine sorgfältige Untersuchung des Einzelfalles ausreichend wäre. Bürokratische Eingriffe werden von der Administration gerne unternommen, weil sie deren Einfluss ver­grössern. Völlig übersehen wird dabei, dass jede Regel und Vorschrift umgangen werden kann. Auch bei schärferen Kontrollen und Sanktionen werden schwarze Schafe Möglichkeiten finden, die Regeln auszuhebeln. Erschwerend kommt hinzu: Die Intervention stellt auch die regelkonformen 98 Prozent unter Generalverdacht, was diese verärgern und ihrer intrinsischen Motivation berauben könnte. Da die Organisa­tion ihnen ohnehin nur das Schlechteste unterstellt, werden viele verstärkt an die Grenze des Erlaubten gehen. Das verursacht hohe Folgekosten, die kaum je berücksichtigt werden.

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