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Konstanten der Schweizer Politik

Wer heute beispielsweise ein Berufsparlament postuliert, ein System «von Regierung und Opposition» anstrebt, oder die Direkte Demokratie als Störfaktor einer sogenannten «zielstrebigen Staatsführung» anficht, tut dies in Missachtung von vier Konstanten, die die Identität unseres Regierungssystems bestimmen. Das Milizprinzip geht davon aus, dass die Mitglieder der Eidgenössischen Räte neben der Erfüllung ihrer politischen Aufgabe einem […]

Konstanten der Schweizer Politik

Wer heute beispielsweise ein Berufsparlament postuliert, ein System «von Regierung und Opposition» anstrebt, oder die Direkte Demokratie als Störfaktor einer sogenannten «zielstrebigen Staatsführung» anficht, tut dies in Missachtung von vier Konstanten, die die Identität unseres Regierungssystems bestimmen.

Das Milizprinzip geht davon aus, dass die Mitglieder der Eidgenössischen Räte neben der Erfüllung ihrer politischen Aufgabe einem Beruf oder zumindest einer anderen Lebensaufgabe weiterhin nachgehen. Die vielseitigen Erfahrungen des praktischen Lebens sollen auf diese Art bewusst in die Tagespolitik einfliessen und das Entstehen einer abgehobenen classe politique verhindern.

Das Regierungssystem der «Konkordanz» ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bundesrat aus Personen besteht, die aus verschiedenen politischen Parteien kommen und somit die jeweils massgebenden politischen Kräfte des Landes repräsentieren. Die Mitglieder unserer Regierung vertreten weder die Parteien im strengen Sinne des Wortes, noch fungieren sie als Parteipräsidenten, noch nehmen sie deren spezifische Anliegen integral wahr. Sie sind auch den Weisungen und Parolen ihrer Parteien nicht verpflichtet und treffen die Entscheide im Kollegium. Die allgemein gültige Regel, wonach jeder Bundesrat, ungeachtet seiner Stimmabgabe, die Mehrheitsauffassung nach aussen und damit vor Parlament und Volk vertritt, das heisst das Kollegial-Prinzip, ist auch heute noch wegleitend.

Auf der Stufe des Parlaments ist die volle Freiheit der Stimmabgabe eines jeden National- und Ständerates eine weitere Konstante. Man kennt keinen Fraktionszwang. Daraus ergibt sich unter anderem, dass das Parlament insgesamt als «Opposition zur Regierung» betrachtet werden kann. Es kontrolliert in diesem Sinne auch die Verwaltung mittels des ihm zugeschriebenen Rechtes zur Oberaufsicht, ohne an parteipolitische Affinitäten gebunden zu sein. Das bundesrätliche Kollegialsystem, die freie Stimmabgabe der National- und Ständeräte, die «Oppositionsrolle» des Parlaments und, in Referendumsabstimmungen, vorab des Volkes – Opposition nicht aus Prinzip, sondern von Fall zu Fall – stehen in unversöhnlichem Gegensatz zum «Regierungssystem des Wettbewerbs», wo die Parlamentsmehrheit und die von ihr gestützte Regierung als geschlossener Block den alleinigen Ton angibt und in dauernder Konfrontation zur parlamentarischen Opposition steht, der übrigens keine Regierungsmitwirkung, aber auch keine Führungsverantwortung, zukommt.

Die Referendumsdemokratie, d.h. die Mitwirkung des Volkes bei wichtigen Entscheidungen setzt den «mündigen Bürger» voraus und nimmt ihn in Verantwortung und Pflicht. Die schweizerische Politik hält das Recht der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hoch, bei gewissen Sachfragen, insbesondere bei Verfassungs- und Gesetzesänderungen, sowie bei wichtigen Staatsverträgen mit dem Ausland, das letzte Wort zu sprechen. In gewissem Sinne wird die res publica in die Verantwortung des Volkes gelegt. Dieses System der Direkten Demokratie setzt ein hohes Mass an Informiertsein beim Stimmvolk voraus. Eine hohe Qualität der Entscheidgrundlagen sowie umfassend durchdachte Geschäfte, eine breite Auslegeordnung der Argumente durch den Bundesrat werden zur conditio sine qua non für die zeitgemässe Mitwirkung der Bürgerschaft.

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