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Christoph Luchsinger, zvg.

Können Kaninchen den
Aktienmarkt erklären?

Die Fibonacci-Zahlen lassen sich in Biologie und Architektur anwenden – und darüber hinaus.

Was kommt in der folgenden Reihe wohl als nächstes?

 

0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21

Nach holprigem Start erkennt man mit der Zeit die Gesetzmässigkeit. Beispielsweise ist die sechste Zahl die Summe der fünften und vierten Zahl (5 = 3 + 2). Also muss die nächste Zahl 13 + 21 = 34 sein. Mathematisch kompakt beschreibt man die Gesetzmässigkeit als an+1 = an + an-1.

Diese Zahlenfolge ist nach dem italienischen Mathematiker Leonardo da Pisa, genannt Fibonacci (ca. 1175–1250), benannt. In seinem Werk «Liber abaci» (lateinisch für Rechenbuch) führte er diese Zahlen ein, indem er damit die Fortpflanzung von Kaninchen vereinfacht erklärte: Jeden Monat kann ein Kaninchenpaar ein weiteres Paar zeugen, welches nach einem Monat Reifezeit selber Nachkommen zeugt. Hat man im Januar 21 Kaninchenpaare, waren es gemäss obiger Folge im Dezember 13; die 8 neuen sind im Januar noch nicht zeugungsfähig. Also werden bis Februar zu den bereits vorhandenen 21 Kaninchenpaare von den 13 Dezember-Paaren je ein Nachkommenspaar dazukommen, total haben wir dann im Februar 21 + 13 = 34 Paare.

Neben Anwendungen in der mathematischen Biologie hat die Zahlenfolge auch eine praktische Verwendung in Architektur und Kunst: den goldenen Schnitt. Eine Strecke ist im goldenen Schnitt geteilt, wenn der grössere Teil (ca. 61,8 Prozent) im Verhältnis zum kleineren Teil (ca. 38,2 Prozent) etwa gleich gross ist wie das Verhältnis des Ganzen zum grösseren Teil. Überraschend ist nun, dass in der Fibonacci-Folge der Bruch von je zwei aufeinanderfolgenden Gliedern gegen dieses Verhältnis konvergiert. Je grösser die Zahlen, desto präziser: Bei 13 und 21 gilt bereits 13/21 = 61,9 Prozent. Dieses Verhältnis, gebildet mit 13 und 21, war vor dem Einsatz von Taschenrechnern für Praktiker sehr nützlich, um entsprechende Verhältnisse zu konstruieren. Bleiben wir bei der Architektur: Im Hauptbahnhof Zürich sind in der Haupthalle, oben bei den Fenstern mit den Vögeln, die ersten paar Fibonacci-Zahlen eingetragen – in einem Kunstwerk von Mario Merz.

Es war unvermeidlich: Wenn etwas so einfach verstanden werden kann wie diese Folge, wenn diese in Kunst und Architektur ein «göttliches Verhältnis» begründet, wenn sie einen geheimnisvollen Namen wie Fibonacci hat (unter uns: Fibonacci steht einfach für Sohn [filius] des Bonacci, und eigentlich kannten bereits die alten Griechen und Inder diese Zahlenfolge), dann mussten auch die Lottospieler darauf anspringen und ihr Glück damit versuchen. In der Tat werden die Fibonacci-Zahlen nachweislich überdurchschnittlich häufig angekreuzt, womit die Glücksspieler im Fall eines Gewinnes mit mehr Leuten teilen müssen. Und wenn wir schon bei den Glücksspielen sind: Auch in der Finanzwelt haben die Fibonacci-Zahlen in esoterischer Weise bei der Vorhersage von Aktienkursen Anwendung gefunden. Anhand historischer Daten, sogenanntem Backtesting, kann man aber die komplizierten Vorschläge der Finanzanalysten entwerten und (einmal mehr) schliessen, dass hier wieder mal bei der Anlageberatung der Grundsatz Pate stand: «If you can’t convince them, confuse them!»

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