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Klaus Schwabe: Weltmacht und Weltordnung. Amerikanische Aussenpolitik von 1898 bis zur Gegenwart.

Paderborn: Schöningh Verlag, 2006

Schwabes opus magnum ist profund, gewichtig und in dieser Form auf dem deutschen Büchermarkt einzigartig. Es stellt die amerikanische Aussenpolitik im 20. Jahrhundert nicht nur historisch-deskriptiv im inneramerikanischen Kontext dar, sondern analysiert diese auch im Kontext der Weltgeschichte und der Ereignisse des 20. sowie des beginnenden 21. Jahrhunderts, das im Zeichen des «Kampfes gegen den Terrorismus» stehen soll. Skepsis gegenüber einer politischen Formel wie dieser ist aber angezeigt. Der Autor, Professor emeritus für Neuere Geschichte an der Technischen Universität in Aachen, konstatiert, dass den politischen Eliten in Europa – besonders in Deutschland – sowie in den USA nicht nur die historische Kenntnis der Vergangenheit, sondern auch ein abgewogenes Urteil fehle.

Der Autor breitet in über 14 Kapiteln eine Gesamtdarstellung der US-Aussenpolitik aus, beginnend mit dem spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 und endend mit der Präsidentschaft von George W. Bush. Wer das erste Kapitel des Buches liest, ist vom Verhalten der Bush-Regierung nicht überrascht. Gehört doch das imperialistische Gehabe zu den fünf konstitutiven Elementen amerikanischer Aussenpolitik, neben dem Isolationismus, der revolutionär-antikolonialistisch-emanzipatorischen Tradition, dem humanitären Impuls sowie der demokratisch-missionarischen Tradition. In der US-Aussenpolitik verschmelzen sie zu einem oft problematischen Amalgam – ein fragwürdiger Ratgeber für eine Weltmacht. Bei der Bush-Administration gehen die imperial-expansionistische und die demokratisch-missionarische Tendenz eine unheilige Allianz ein.

Zu diesen historischen Determinanten amerikanischer Aussenpolitik treten noch die formalen, die sogenannten «checks and balances», also die wechselseitige Kontrolle der verfassungsmässigen Organe Präsident und Kongress. Sie sind ebenfalls historisch bedingt, und zwar als Reaktion gegenüber der «alten Welt». Neben dieser geschriebenen Verfassungswirklichkeit ist eine politische getreten, die dem Präsidenten durch sogenannte «executive agreements» (Verwaltungsabkommen) und «executive agents» (vom Präsidenten ernannte Vertrauenspersonen, die keiner Kontrolle durch den Kongress unterliegen) eine aussenpolitische Macht jenseits parlamentarischer Kontrolle verleihen. Seinen grössten Machtzuwachs erlangte er durch die Rolle des Obersten Befehlshabers. Dazu ist er auch Regierungschef. In dieser Kombination (Präsident, Oberster Befehlshaber und Regierungschef) kann er quasi Kriege vom Zaune brechen wie ehemals Präsident Johnson denjenigen in Vietnam durch die manipulierten Vorgänge im Golf von Tonking oder Präsident Bush jr. den völkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak, der ebenfalls durch manipulierte Fakten des Geheimdienstes und die Ranküne zwischen Pentagon, dem Büro des Vizepräsidenten und dem AussenmiWeltöffentlichkeit verkauft worden ist.

Schwabe analysiert all dies in sachlich-nüchterner Professorenmanier. Sein Resümee, dass sich die Bush-Administration selbst in ihrem «nation-building» in der Tradition des «universellen Missionsstrebens» befinde, überrascht doch sehr, da bis heute rhetorisch das «nation-building» im Irak nicht zu den primären Aufgaben dieser Regierung gehörte. Eher fühlt sich der Leser an ein missionarisches Eiferertum von Präsident Bush erinnert, der von «Kreuzzug», «Schurkenstaaten» und «Demokratisierung» des Nahen und Mittleren Ostens gesprochen hat. Präsident Bush sieht den Kampf der «zivilisierten Welt» gegen «das Böse» als «ein manichäisches Ringen zwischen Gut und Böse», so Schwabe. Hat nicht gerade diese apokalyptische Rhetorik einen Teil der Europäer irritiert und zum Zerwürfnis zwischen USA und «Alt-Europa» beigetragen?

Ein Manko der ansonsten ausgezeichneten Gesamtdarstellung liegt in der Vernachlässigung der religiösen Kräfte, die hinter George W. Bush stehen, und der Einflüsterungen seiner neokonservativen Ratgeber, die ihn – gegen einige kritische Stimmen aus der Administration seines Vaters und einige wenige andere – zu diesem problematischen Waffengang gedrängt haben. Beide, die religiösen Fundamentalisten und die radikalen Neokonservativen, schaden den langfristigen Interessen der USA. Aber für ideologisch-religiös Verblendete sind die Gesetze der Ratio zweitrangig. Obwohl Klaus Schwabe sein Manuskript bereits bei Ausbruch des Irakkrieges fertiggestellt hatte und seine Einschätzungen daher vorläufige und rudimentäre Bewertungen sind, kann dieses Buch für alle politisch Handelnden und Interessierten empfohlen werden, auch, weil es neben der Kenntnis der Geschichte und Aussenpolitik der Vereinigten Staaten mit vielen historischen Parallelen aufwartet.

besprochen von LUDWIG WATZAL, geboren 1950, ist Redaktor und Publizist in Bonn.

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