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«Kinder sollen sich langweilen!»

Die Primarlehrerin Nathalie Meyer und der Gymnasiallehrer Philippe Wampfler trafen sich zum «Duell des Monats» im Zürcher Glockenhof. Das Thema: Sollen Smartphones an Schulen verboten werden?

«Kinder sollen sich langweilen!»
Im Zürcher Glockenhof am 22. Mai 2025 (v. l. n. r.): Philippe Wampfler, Nathalie Meyer und Lukas Leuzinger.

Von einem generellen Handy-Verbot am Schulen hält der Gymnasiallehrer Philippe Wampfler nichts. «Ich bin gegen ein von oben angeordnetes Verbot. Hingegen plädiere ich für die Freiheit der Schulen, selbst entscheiden zu können». Der Kanton sei schlicht die falsche Entscheidungsebene. Wampfler, der sich auch einen Namen als Autor für «digitale Bildung» gemacht hat, sieht die pädagogischen Möglichkeiten im Unterreicht durch ein Verbot limitiert. Dies ausgerechnet in einer Zeit, wo digitale Kompetenz immer wichtiger werde.

Nathalie Meyer sieht das anders. Sie befürwortet ein Verbot auf den Stufen Primar- und Sekundarschule. An ihrer Schule in Aesch in Baselland gilt ein generelles Handyverbot. Und ihre Erfahrungen damit sind ausnahmslos positiv. So berichtet Meyer von einer wohltuenden Entspanntheit, die sich bei ihren Schülern breitmache, sobald die Handys in der Kiste verschwänden. «Auf Stufe Primarschule brauchen Kinder schlicht keine Handys im Unterreicht. Mit Tablets arbeiten wir sehr wohl. Das verlangt die Wirtschaft von uns.»

Darin sieht Wampfler einen Widerspruch, denn nicht nur das Handy, auch das Tablet mit all seinen zugänglichen Lerninhalten sei eine Ablenkung. «Die grösste Ablenkung in meinem Deutschunterricht ist der Geo-Test in der nächsten Stunde».

Wahlfreiheit und «Handyzonen»

Buchautor Wampfler präsentiert die Idee, dass Schulen mit und ohne Verbot nebeneinander auch existieren können. «Dies erhöht die Wahlfreiheit für Eltern und Schüler.» Für Meyer, ehemalige Dozentin an der FHNW für «Forschendes Entdecken», wäre die Einführung von «handyfreien Zonen» ein prüfenswerter Ansatz. Analog zu «Raucherzonen» könne der Aufenthalt in solchen Zonen zu einer positiven Stigmatisierung führen und einen gegenteiligen Trend bewirken. Will heissen: Kinder spielen und streiten wieder vermehrt miteinander, schliessen Freundschaften und lösen zusammen Probleme.

Statt einem Verbot setzt Wampfler als seine zentrale Botschaft auf die Eigenverantwortung, eine Kompetenz, die man nicht früh genug erlernen könne. Bei überbordendem Konsum sucht der Gymi-Lehrer an der Goldküste das Gespräch mit seinen Schülern. «Wir versuchen, durch Selbstreflexion und gemeinsame Absprachen Lösungen zu suchen». Wampfler spricht auch von verschiedenen Phasen in der Entwicklung und Handynutzung der Schüler. Gerade im Alter von 10 bis 15 Jahren übe das Natel eine grosse Faszination aus. Etwas später merken die meisten Schüler selbst, dass sie zu viel am Bildschirm hängen. Von der Selbsterkenntnis zum konkreten Anpassen des eigenen digitalen Konsums sei es aber ein grosser Schritt.

Ganz anders Meyer: «Kinder sollen sich langweilen! So werden sie zur Kreativität gezwungen». Den Zustand der meist schnell vorübergehenden Langweile muss man allerdings auch aushalten können, was vor allem für die Eltern anstrengend sein könne. «Am Natel hingegen ist man immer busy.»

Trend Richtung Verbot

Doch auch Wampfler sieht das Natel teils kritisch. Er spricht von der Gefahr, dass sich die Bildungsschere weiter öffnet. Kinder mit medienkompetenten Eltern profitieren vom Natel als Werkzeug, die anderen nicht.

Während Wampfler für mehr «digitale Souveränität» der Schulen und Schüler plädiert, zeigt der Trend in eine andere Richtung. An immer mehr Schulen setzt sich das Smartphone-Verbot durch. Der Trend scheint auch auf kantonaler Stufe anzuhalten. International haben unter anderem Frankreich, Italien oder Holland ein Natelverbot an ihren Volksschulen.

Mit einen konsequenten Natelverbot hat Meyer auch in Schullager durchaus positive Erfahrungen gemacht. Natürlich gibt es ein Notfalltelefon, und auch ein paar Ausnahmen, zum Beispiel beim gemeinsamen Abwaschen. «Da sorgt eine Boombox, verbunden mit meinem Natel, für Musik, Tanz und eine gute Stimmung. Wir hören übrigens ihre Musik, nicht meine». Für Schüler, die mit einem Smartphone erwischt werden, gibt es kein Pardon: Sie werden umgehend nach Hause geschickt. Dieses streng anmutende Vorgehen wurde vorgängig in einer Absichtserklärung festgelegt, welche von allen Eltern, Schülern und der Lehrerin unterzeichnet wurde. Weiterer Vorteil: Der «Seelenstress» für Kinder die ihr Natel verlieren, entfällt.

Es wurde lebhaft argumentiert, geschmunzelt und leidenschaftlich plädiert. Beide Lehrer bestachen mit der Klarheit ihrer Argumente. (Fabian Gull)

Bilder: Selina Seiler

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