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Keiner verantwortlich, keiner greifbar

Der geplante WHO-Pakt zur Pandemiebekämpfung läuft Gefahr, ein trojanisches Pferd zu werden, das Demokratie, Freiheit und Souveränität der Mitgliedstaaten untergräbt.

Keiner verantwortlich, keiner greifbar
Das Personal eines Restaurants am Mühlenplatz in Luzern rüstet sich im April 2021 für die Wiedereröffnung. Bild: Urs Flüeler/Keystone.

Wer die «Politische Erklärung der hochrangigen Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen über Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion»1 durchliest, stolpert gleich zu Beginn über einen Bandwurmsatz von 108 Wörtern. Er handelt davon, dass die am 20. September 2023 vor den Vereinten Nationen (UN) versammelten Staaten gegenwärtigen und künftigen Pandemien entschlossener entgegentreten wollen. Etwa in der Mitte des Satzes findet sich eine Aussage, die hellhörig werden lässt. Zuvor fallen gefällig klingende Worthülsen wie «globale Solidarität», «multilaterales Engagement» und «Zusammenarbeit», die schliesslich auch zum Problemkern des geplanten und noch nicht definitiv ausgehandelten Pandemieabkommens führen, auf den in der Erklärung Bezug genommen wird.

Ziel sei es, «mit einschlägigen Einrichtungen der Vereinten Nationen und anderen einschlägigen internationalen Organisationen» dafür zu sorgen, dass auf «globaler, regionaler, nationaler und lokaler Ebene robuste Massnahmen» im Sinne von «Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion» durchgeführt werden können. Nochmals langsam: «robuste Massnahmen»? Mit den Vereinten Nationen und anderen «einschlägigen internationalen Organisationen» wollen Staaten auf «globaler», «nationaler» und sogar «regionaler» Ebene sowohl bei einem Pandemiegeschehen als auch bereits im Rahmen der Prävention eingreifen? Was das genau bedeutet, bleibt unbestimmt.

Werfen wir einen näheren Blick auf die Erklärung. Zunächst: Die Erklärung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil setzt sich zusammen aus 29 Punkten, die als gemeinsame Grundlage für alle 194 an die WHO angeschlossenen Staaten im Hinblick auf die Prävention und Bekämpfung von Pandemien zu verstehen sind. Der zweite Teil besteht aus einem «Aufruf zum Handeln», einer Arbeitsanweisung für die Nationalstaaten. Während die einzelnen Punkte im ersten Teil immer wieder mit der Formulierung «Erkennen sie an» beginnen, sind die gewählten einleitenden Formulierungen im zweiten Teil zu den jeweilig angeführten Punkten andere. Dort heisst es beispielsweise: «Stellen sie sicher», «Gewährleisten sie», «Bekräftigen sie» oder «Verpflichten sie».

Der Teufel steckt im ­Detail

Beide Teile klingen vordergründig unverdächtig. Viele Punkte hören sich sogar durchaus vernünftig an, wie etwa eine Stärkung des Gesundheitswesens auf Ebene der jeweiligen Länder oder etwa, dass Staaten den Schutz und die Gesundheit ihrer Beschäftigten im Gesundheitswesen sicherstellen sollen. Insgesamt liesse sich die Erklärung – unkritisch betrachtet – leicht als positiv verstehen. Was spricht schliesslich dagegen, dass sich Staaten gemeinsam auf mögliche künftige Pandemien gut vorbereiten und im Ernstfall schnell reagieren können? Nichts.

Doch es ist komplizierter. Über ein Zwischenstaatliches Verhandlungsgremium (INB) leiten die Mitgliedstaaten selbst und nicht die WHO den Entwicklungsprozess des Abkommens. Im jetzigen Entwurf ist aus­serdem die Rede von einer «nationalen Eigenverantwortung», einer «vorrangigen Rolle und Verantwortung der Regierungen, auf allen Ebenen ihren eigenen Weg zur Pandemieprävention zu bestimmen» und davon, dass die Bestimmungen «in Einklang mit den nationalen Gegebenheiten» zu bringen seien.

Doch der Teufel steckt im Detail. Denn das Pandemieabkommen wird nicht nur empfehlenden Charakter haben, sondern rechtsverbindlich sein. Zwar muss das finale Abkommen von den jeweiligen Staaten ratifiziert werden, aber dann besteht Rechtsverbindlichkeit. Mit anderen Worten: Sowohl die WHO als auch die Regierungen einzelner Länder werden sich auf diese Rechtsverbindlichkeit stützen (müssen).

Und nun der genauere Blick auf das, was da beschlossen werden soll. Auf 14 Seiten Erklärung finden sich alleine 19mal Begriffe, die direkt im Zusammenhang mit Impfungen stehen. Von einer Impfpflicht ist nicht die Rede, aber in Entwicklungsländern sollen demnach auf lokaler und regionaler Ebene verbesserte «Herstellungs-, Handhabungs- und Vertriebskapazitäten» für Impfstoffe aufgebaut werden. Bereits an dieser Stelle gilt es kritisch zu fragen: Sollen Länder wie die Schweiz tatsächlich ein Abkommen unterzeichnen, das hochumstrittene Covid-Vakzine für Menschen in ärmeren Regionen leichter zugänglich machen will?

In der Erklärung wird ausserdem gefordert, Staaten sollten sich dazu verpflichten, «Massnahmen zu ergreifen, um die negativen Auswirkungen von Fehlinformationen und Desinformationen auf die öffentliche Gesundheit sowie die physische und psychische Gesundheit der Menschen (…) im Rahmen der Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion zu bekämpfen». Die Rede ist dabei von «Desinformationen insbesondere auf sozialen Medien». Und so geht es weiter. Staaten sollen «u.a. durch die Bereitstellung faktengestützter Informationen» zur «Bekämpfung des Zögerns bei der Impfung und zur Ausweitung des Impfschutzes» beitragen.

Diese Zeilen, zu finden unter den Punkten 32 und 38, klingen bei näherer Betrachtung nach einem demokratischen Albtraum. Hier schimmert nicht nur eine von oben verordnete Festlegung einer allgemeingültigen Wahrheit durch. Vielmehr können abweichende Ansichten auf diesem Weg generell sehr leicht als «Desinformation» bewertet werden, die bekämpft werden muss. Wohin diese Untergrabung der als unerwünschte, da als vermeintliche «Desinformation» betrachteten Ansichten führt, wurde während der Coronakrise deutlich. Facebook löschte Kommentare, die sich um eine mögliche Laborherkunft des Virus drehten. Erst als von der US-Regierung öffentlich erklärt wurde, ein Laborursprung werde untersucht, liess Facebook Kommentare dieser Art wieder zu. Schon die Punkte 32 und 38 können als einen massiven Angriff auf eine freiheitlich organisierte Gesellschaft betrachtet werden.

Ein demokratischer Albtraum

Regierungen sollen sich rechtsverbindlich verpflichten, über ein supranationales Abkommen gegen Desinformationen vorzugehen? Es lässt tief blicken, dass ein Begriff wie «Desinformation» in seiner Unbestimmtheit und Vagheit in einer Erklärung für ein vorgeblich seriöses Pandemieabkommen auftaucht. Der Chef der WHO, Tedros Ghebreyesus, pries das Abkommen noch im Mai dieses Jahres als «historisch» an. Wie würde die angesprochene Bekämpfung unliebsamer Inhalte aussehen? Kritische Inhalte auf sozialen Medien und Webseiten, die offline gehen müssen? Kritische Journalisten, die wegen «Verbreitung von Desinformation» verhaftet werden?

Besonders hervor sticht «die digitale Transformation der Gesundheitssysteme». Die Formulierung taucht zwar im Zusammenhang mit den Entwicklungsländern auf, doch eine Resolution der WHO aus dem Jahr 2018 forderte die Mitgliedstaaten bereits damals dazu auf, den Weg hin zur Digitalisierung der Gesundheitssysteme zu prüfen. Diese Digitalisierung bedeutet: digitale Impfpässe, digitale Patientenakten, verschiedene «Gesundheitsapps» und mehr. Sprich: Der Bürger und seine Gesundheit werden in ein Gesundheitssystem gepresst, das von digitaler Technologie geprägt sein wird. Nichts gegen digitale Technologie, aber die Erfahrungen in der Pandemie mit digitalen Impfzertifikaten und QR-Codes, die als Eintrittskarten in das normale soziale Leben dienten, lassen für das Individuum, das frei von staatlicher Kontrolle leben will, nichts Gutes erahnen.

«Der Bürger und seine Gesundheit werden in ein Gesundheitssystem

gepresst, das von digitaler Technologie geprägt sein wird.»

Auch wenn sich das Pandemieabkommen vordergründig unverdächtig liest: Beachtet werden sollte, dass es als eine Art trojanisches Pferd dienen kann, über das ein massiver Angriff auf die Demokratie und die Souveränität des Nationalstaats erfolgt, insbesondere in Kombination mit weiteren Vorhaben der Vereinten Nationen, wie etwa dem aktuellen Programm namens «Unsere gemeinsame Agenda» (Our Common Agenda). Dort wird neben verstärkter Zensur und der Verstetigung des Ausnahmezustandes im Policy Brief 62 sowie unter dem Titel «Reformen der internationalen Finanzarchitektur» über ein internationales Steuersystem gesprochen, das es den Behörden erlauben könnte, länder­übergreifend Zugriff auf entsprechende Finanzdaten zu erhalten.

Marcus Klöckner, zvg.

Doch von «Unserer gemeinsamen Agenda» abgesehen: Die Rechtsverbindlichkeit des Pandemieabkommens dürfte dazu führen, dass sich sowohl die Länder selbst als auch die WHO darauf stützen und dessen Einhaltung einfordern. Selbst wenn das beschlossene Recht nicht über der Verfassung einzelner Länder steht, können sich die Staaten auf die WHO stützen und die WHO auf die Staaten. Die Verantwortung kann hin und her geschoben werden. Niemand ist verantwortlich, keiner ist greifbar. Aber die Macht des «Pandemierechts» legt sich auf die einzelnen Länder und ihre Bürger wie ein dunkler Schleier eines sich heranschleichenden Totalitarismus.

  1. Vereinte Nationen: «ZERO DRAFT. Political Declaration of the ­United Nations General Assembly High-Level Meeting on Pandemic Prevention, Preparedness and Response», 20.09.2023. Zero-draft-PPPR-Political-Declaration-5-June.pdf.Anmerkung: Die Erklärung wurde in englischer Sprache veröffentlicht. Die Übersetzung ins Deutsche wurde vom Autor dieses Textes vorgenommen.

  2. Vereinte Nationen: «Reforms to the International Financial ­Architecture», Our Common Agenda (Policy Brief 6), Mai 2023, http://www.un.org/sites/un2.un.org/files/our-common-agenda-policy-brief-international-finance-architecture-en.pdf.

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