Keiner verantwortlich, keiner greifbar
Der geplante WHO-Pakt zur Pandemiebekämpfung läuft Gefahr, ein trojanisches Pferd zu werden, das Demokratie, Freiheit und Souveränität der Mitgliedstaaten untergräbt.

Wer die «Politische Erklärung der hochrangigen Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen über Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion»1 durchliest, stolpert gleich zu Beginn über einen Bandwurmsatz von 108 Wörtern. Er handelt davon, dass die am 20. September 2023 vor den Vereinten Nationen (UN) versammelten Staaten gegenwärtigen und künftigen Pandemien entschlossener entgegentreten wollen. Etwa in der Mitte des Satzes findet sich eine Aussage, die hellhörig werden lässt. Zuvor fallen gefällig klingende Worthülsen wie «globale Solidarität», «multilaterales Engagement» und «Zusammenarbeit», die schliesslich auch zum Problemkern des geplanten und noch nicht definitiv ausgehandelten Pandemieabkommens führen, auf den in der Erklärung Bezug genommen wird.
Ziel sei es, «mit einschlägigen Einrichtungen der Vereinten Nationen und anderen einschlägigen internationalen Organisationen» dafür zu sorgen, dass auf «globaler, regionaler, nationaler und lokaler Ebene robuste Massnahmen» im Sinne von «Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion» durchgeführt werden können. Nochmals langsam: «robuste Massnahmen»? Mit den Vereinten Nationen und anderen «einschlägigen internationalen Organisationen» wollen Staaten auf «globaler», «nationaler» und sogar «regionaler» Ebene sowohl bei einem Pandemiegeschehen als auch bereits im Rahmen der Prävention eingreifen? Was das genau bedeutet, bleibt unbestimmt.
Werfen wir einen näheren Blick auf die Erklärung. Zunächst: Die Erklärung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil setzt sich zusammen aus 29 Punkten, die als gemeinsame Grundlage für alle 194 an die WHO angeschlossenen Staaten im Hinblick auf die Prävention und Bekämpfung von Pandemien zu verstehen sind. Der zweite Teil besteht aus einem «Aufruf zum Handeln», einer Arbeitsanweisung für die Nationalstaaten. Während die einzelnen Punkte im ersten Teil immer wieder mit der Formulierung «Erkennen sie an» beginnen, sind die gewählten einleitenden Formulierungen im zweiten Teil zu den jeweilig angeführten Punkten andere. Dort heisst es beispielsweise: «Stellen sie sicher», «Gewährleisten sie», «Bekräftigen sie» oder «Verpflichten sie».
Der Teufel steckt im Detail
Beide Teile klingen vordergründig unverdächtig. Viele Punkte hören sich sogar durchaus vernünftig an, wie etwa eine Stärkung des Gesundheitswesens auf Ebene der jeweiligen Länder oder etwa, dass Staaten den Schutz und die Gesundheit ihrer Beschäftigten im Gesundheitswesen sicherstellen sollen. Insgesamt liesse sich die Erklärung – unkritisch betrachtet – leicht als positiv verstehen. Was spricht schliesslich dagegen, dass sich Staaten gemeinsam auf mögliche künftige Pandemien gut vorbereiten und im Ernstfall schnell reagieren können? Nichts.
Doch es ist komplizierter. Über ein Zwischenstaatliches Verhandlungsgremium (INB) leiten die Mitgliedstaaten selbst und nicht die WHO den Entwicklungsprozess des Abkommens. Im jetzigen Entwurf ist ausserdem die Rede von einer «nationalen Eigenverantwortung», einer «vorrangigen Rolle und Verantwortung der Regierungen, auf allen Ebenen ihren eigenen Weg zur Pandemieprävention zu bestimmen» und davon, dass die Bestimmungen «in Einklang mit den nationalen Gegebenheiten» zu bringen seien.
Doch der Teufel steckt im Detail. Denn das Pandemieabkommen wird nicht nur empfehlenden Charakter haben, sondern rechtsverbindlich sein. Zwar muss das finale Abkommen von den jeweiligen Staaten ratifiziert werden, aber dann besteht Rechtsverbindlichkeit. Mit anderen Worten: Sowohl die WHO als auch die Regierungen einzelner Länder werden sich auf diese Rechtsverbindlichkeit stützen (müssen).
Und nun der genauere Blick auf das, was da beschlossen werden soll. Auf 14 Seiten Erklärung finden sich alleine 19mal Begriffe, die direkt im Zusammenhang mit Impfungen stehen. Von einer Impfpflicht ist nicht die Rede, aber in Entwicklungsländern sollen demnach auf lokaler und regionaler Ebene verbesserte «Herstellungs-, Handhabungs- und Vertriebskapazitäten» für Impfstoffe aufgebaut werden. Bereits an dieser Stelle gilt es kritisch zu fragen: Sollen Länder wie die Schweiz tatsächlich ein Abkommen unterzeichnen, das hochumstrittene Covid-Vakzine für Menschen in ärmeren Regionen leichter zugänglich machen will?
In der Erklärung wird ausserdem gefordert, Staaten sollten sich dazu verpflichten, «Massnahmen zu ergreifen, um die negativen Auswirkungen von Fehlinformationen und Desinformationen auf die öffentliche Gesundheit sowie die physische und psychische Gesundheit der Menschen (…) im…

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Dieser Artikel ist in Sonderpublikation 45 – November 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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