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Ein Glas Wein mit  Marc Zimmermann
Marc Zimmermann, Geschäftsführer der Femec AG, illustriert von Matthias Wyler (Studio Sirup).

Ein Glas Wein mit
Marc Zimmermann


Marc Zimmermann sitzt in seinem Büro vor drei aneinandergereihten 28-Zoll-Bildschirmen – in bester Daytradermanier. Mit der Börse hat er allerdings wenig zu tun: Er leitet ein Unternehmen, das im Kundenauftrag Metallteile herstellt. Und die Bildschirme? «Ich finde halt Technologie spannend.»

Es ist 14 Uhr. Ein Glas Wein trinken wir heute nicht, Zimmermann hat viel zu tun und ist froh, dass er mich nicht am Abend treffen muss. Denn der gehört seiner Familie: seiner Ehefrau, die mit ihm zusammen das Geschäft leitet, und der dreijährigen Tochter. Der Morgen beginnt bei ihm um 5, um halb 6 ist er im Büro, gegen 18 Uhr ist Schluss. 12,5 Stunden an fünf, manchmal sechs Tagen in der Woche.

Femecs Kernkompetenz liegt im «Drehen» von Metallteilen an hochpräzisen CNC-Maschinen. Hochpräzis heisst: ein Tausendstel Millimeter Fehlertoleranz. Die Konkurrenz sei gross, in der Schweiz gebe es hunderte Firmen mit ähnlichem Angebot, alleine in der Wetziker Indus­triezone zwischen Motoren- und Indus­triestrasse seien es vier, erklärt Zimmermann. Und die Konkurrenz mache selbstverständlich nicht an der Schweizer Grenze halt: Polen, Ungarn, Tschechien und natürlich diverse asiatische Länder können einfache Teile dank weniger staatlicher Auflagen und günstigerer Boden- und Lohnkosten teilweise zur Hälfte des Preises produzieren. Man konzentriere sich deshalb auf komplexe, schwierige Teile mit hohen Präzisionsanforderungen.

Zimmermann, ausgebildeter Polymech, ist 37 Jahre alt. Vor zehn Jahren hatte er sich (erfolgreich) bei Femec beworben. Er stieg die Karriereleiter hoch, heiratete die Tochter des Firmeninhabers, der die Geschäftsleitung 2017 an die beiden abgab. Ich kann mir die Frage nicht verkneifen: Hat es nicht für Unruhe gesorgt, dass ein langjähriger Mitarbeiter, der mit der Tochter des Chefs schläft, den Laden übernimmt? Zimmermann antwortet kein bisschen pikiert, sondern gelassen: «Ja, das war absolut ein Thema, und ganz am Anfang gab es tatsächlich zwei oder drei Mitarbeiter, die skeptisch waren. Das hat sich dann aber schnell  gelegt.» Die Leute wüssten, dass er Ahnung von der Materie habe. «Sie schätzen auch, dass ich sie unterstütze», sagt er.

Femec gehört zu den Pionieren der «Industrie 4.0». Ein digitales ERP-System («Enterprise Resource Planing») ist schon seit längerem in Betrieb. Die Werkzeugverwaltung ist komplett digital – Nachbestellungen erfolgen automatisiert, im Frühjahr wurde auch die Datenerfassung des Operationsplans vollständig digitalisiert: Bis vor kurzem mussten die Mitarbeiter auf einem Poster eintragen, wann sie wofür wie lange an welcher Maschine gearbeitet haben. Heute scannen sie bei Arbeitsbeginn und -ende an einer Maschine einen Strichcode. Das ERP wertet die eingelesenen Daten aus, was eine komplett automatisierte Terminplanung ermöglicht: Kommt eine neue Bestellung, koordiniert das System die freien Ressourcen von Mitarbeitern und Maschinen, erstellt den Produktionsplan und berechnet sofort die Lieferfrist.

Zimmermann führt mich durch die Fa­brik. Vollautomatisch drechseln oder fräsen Maschinen aus Rohkörpern das Endprodukt. Unter jeder steht ein Plastikbehälter, der die Metallspäne auffängt – in Silber (Aluminium oder Edelstahl) und Bronze (Bronze). Ich bin fasziniert von den Spänen, photographiere sie. «Spannend, diese Späne, nicht?» Ich fühle mich ertappt. Ist es peinlich, dass ich bei all den sauberen, teuren Maschinen ausgerechnet die Späne so hübsch finde? «Wir haben die auch schon als Weihnachtsdekoration verwendet», sagt Zimmermann, als wolle er mir das Gefühl geben, dass meine kindliche Spanvorliebe nicht deplatziert ist. Auf der oberen Etage verrichten zwei 3D-Metalldrucker flüsterleise, ohne Beisein eines Mitarbeiters, ihren Dienst. Schicht für Schicht tragen sie Metallstaub auf, der an den erwünschten Stellen von einem Laser verschmolzen, sprich: gelötet, wird. Das ermöglicht die Herstellung beliebig komplizierter Formen – Zimmermann zeigt mir ein Salamanderfigürchen aus mehreren beweglichen Gliedern, das in einem einzigen Arbeitsgang gelasert wurde. Allerdings: Metall-3D-Drucke sind deutlich poröser als solides Metall, die Präzision ist geringer und glatte Oberflächen sind nicht möglich. Sehr gut eignet sich der 3D-Druck aber für Leichtbauteile – z.B. im Motorsport – oder zur Herstellung von Prototypen, um auf die teure Herstellung einer neuen Gussform zu verzichten. Die Maschinen sind gut ausgelastet, gekauft hatte Zimmermann sie vor vier Jahren, ohne dass auf Kundenseite danach gefragt worden wäre. «Ich finde halt Technologie spannend.»

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