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(0) Kein Ende der Leselust

VORSICHT BÜCHER! steht hin und wieder gross auf Buchpaketen, die von der Post ausgeliefert werden. Es könnte als Hinweis auf die psychischen Erschütterungen verstanden werden, die Bücher bei manchen Menschen hervorrufen. «Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch?», fragte Franz Kafka […]

VORSICHT BÜCHER! steht hin und wieder gross auf Buchpaketen, die von der Post ausgeliefert werden. Es könnte als Hinweis auf die psychischen Erschütterungen verstanden werden, die Bücher bei manchen Menschen hervorrufen. «Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch?», fragte Franz Kafka in einem Brief an einen Freund und schrieb weiter: «…ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.»

Vielleicht warnt VORSICHT BÜCHER! auch vor ihrer Verführungsmacht. Schliesslich kann ein Buch uns so sehr packen, dass wir den Alltag mit seinen Terminen und Verpflichtungen vergessen, während wir uns lesend weitfort in anderen Welten bewegen und erst dann wieder zurückkehren, wenn wir nach dem Schlusspunkt auf der letzten Seite ins Leere fallen. «Lesesucht» nannte man das schon im 18. Jahrhundert, als man sich über die Verminderung des häuslichen und öffentlichen Glückes sorgte, weil auch das Volk mehr und mehr zu lesen begann und diese Fertigkeit nicht länger allein den privilegierten Schichten überlassen wollte.

VORSICHT BÜCHER! ist eine Warnung wie vor ansteckenden Keimen – eine Warnung vor Gedanken oder Ideen, die aus dem Buch auf uns überspringen können, sodass wir fortan neue Ziele verfolgen und unserem Leben eine andere Richtung geben als bisher. «Ein Sack voll Samenkörner» bezeichnete für André Gide daher das Buch.

Doch vor der Sucht kommt das Können und dazwischen steht die Lust. Lesen will gelernt sein, und dazu braucht es Motivation und Durchhaltevermögen. Die Beiträge auf den folgenden Seiten unseres Dossiers zeigen, dass die Anforderungen an die Lesekompetenz steigen. Gleichzeitig verdeutlicht der «Pisa-Schock», dass Schüler oft weit schlechter lesen können, als Eltern, Pädagogen und Politiker erhofften. Wie damit umgegangen werden kann, wie sich die Lust vor allem der Heranwachsenden wecken und wachhalten lässt, auch davon handeln die Beiträge. Die Computerspiele übrigens, von Eltern gern verteufelt als Ursache aller Leseverweigerung, können durchaus auch zum Lesen von Büchern animieren, wie eine unserer Autorinnen erläutert.

Trotz einigem Frust – die Lust am Lesen ist vorhanden, und die Lust, es zu fördern und weiterzuverbreiten ebenfalls. Das zeigen Arbeit und Initiativen engagierter Eltern, Lehrer, Verlage, Institute und Vereine, das zeigen die Büchermessen und ihre Festivals – und, wie wir hoffen, auch dieses Dossier.

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