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John Wayne und die Korrektokratie

Die Reise durch die USA begann in Hollywood. Und zwar mit ungebremstem Fanatismus für John Wayne in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Genauso wild und frei wie John wollten wir auch sein – also fuhren wir spontan nach Tombstone. In der Cowboystadt im Süden Arizonas war alles originalgetreu nachgebaut: von der Sattlerei über die Goldminen bis zu […]

Die Reise durch die USA begann in Hollywood. Und zwar mit ungebremstem Fanatismus für John Wayne in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett. Genauso wild und frei wie John wollten wir auch sein – also fuhren wir spontan nach Tombstone. In der Cowboystadt im Süden Arizonas war alles originalgetreu nachgebaut: von der Sattlerei über die Goldminen bis zu den Tavernen und ihren hutbewährten Besuchern. Die John Waynes waren überall, Erinnerungen an die späte Kindheit vor dem Fernseher wurden wach.

Der Weckruf in Form eines «Hey, you!» liess uns herumfahren. Einer der John Waynes stand auf der staubigen Strasse und richtete seine Knarre auf uns. «Hey, you!», wiederholte er, drückte zweimal ab und liess die Waffe sinken. Dann lachte John Wayne – und füllte neue Knallkörper in sein Filmrequisit. Meine offensichtliche Ängstlichkeit machte ihm Eindruck. «Where do you come from?», fragte er. Weniger beeindruckt war er dann von unserer Antwort: «Aha, Switzerland… Very conservative, right?» – «Das würde ich so nicht sagen. Eher korrekt», meinte ich. Er musste lachen und empfahl uns, das «Land der unbegrenzten Möglichkeiten» so lange auszukosten, wie nur irgend möglich. John Wayne, der sich dann bald als Martin Snyder verabschiedete, schenkte uns noch seinen Spielzeugrevolver. Einen ganzen Nachmittag lang diente er der Unterhaltung meines Reisebegleiters. Jetzt war auch er ein richtiger John Wayne. Am Schluss wollte er die Knarre mit nach Hause nehmen. «Du meinst doch nicht im Ernst, dass sie dich damit durch den Zoll lassen?», gab ich zu bedenken. Er entschied sich für die Postsendung, Absender gleich Empfänger. Um Gewicht im Handgepäck zu sparen, füllte er den Platz im Paket mit getragenen T-Shirts. Für den Zoll hiess es also ganz korrekt: «Transportware: Spielzeugrevolver und T-Shirts».

Zwei Tage nach unserer Rückkehr in die Schweiz erreichte ihn ein Brief der Polizei: Es werde ein Strafverfahren wegen illegalen Waffenhandels und -schmuggels gegen meinen John Wayne eingeleitet. Nein, dachte ich, konservativ ist die Schweiz nicht, einfach nur korrekt.

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