Jeder mit jedem. Vom Nutzen des globalen Marktplatzes
Erzählt Ihre Nachbarin vom begeisterten Stöbern und Feilschen auf dem Bücherflohmarkt, so wird sie bei Ihnen wahrscheinlich Sympathiepunkte sammeln. Erzählt die gleiche Person mit der gleichen Begeisterung, dass sie das gleiche Buch kürzlich nach einer Online-Recherche bestellte, ist der Sympathiebonus wohl dahin. Warum ist das so? Die Interaktion auf dem Bücherflohmarkt ist das letzte Glied […]
Erzählt Ihre Nachbarin vom begeisterten Stöbern und Feilschen auf dem Bücherflohmarkt, so wird sie bei Ihnen wahrscheinlich Sympathiepunkte sammeln. Erzählt die gleiche Person mit der gleichen Begeisterung, dass sie das gleiche Buch kürzlich nach einer Online-Recherche bestellte, ist der Sympathiebonus wohl dahin. Warum ist das so?
Die Interaktion auf dem Bücherflohmarkt ist das letzte Glied einer langen Kette. Ein Autor schreibt ein Buch; ein Verlag lektoriert und gibt es heraus; ein Drucker bringt es in eine materiell und ästhetisch ansprechende Form; ein Zwischenhändler verkauft es einem Erstbesitzer, der es dann zum Flohmarkthändler bringt; dieser verkauft das Buch unserer Nachbarin zu einem Preis, den sie zu zahlen bereit ist.
Im Falle der anonymen Vertriebskette ist der Gang der Dinge bis zum Erstbesitzer derselbe. Danach kommen aber noch viel mehr Menschen ins Spiel: der Erstbesitzer verkauft sein Buch einem Online-Flohmarkt wie momox; dieser verkauft es dann beispielsweise über Amazon an unsere Nachbarin weiter. Abgesehen davon, dass Tausende von Menschen daran beteiligt waren, diese Online-Dienste zu entwickeln, die Server täglich zu warten und die Klimaanlage für den Serverraum einzubauen, wird letztlich das Buch von einer Person eingepackt und versendet; in einem Vertriebszentrum der Post wird es sortiert und zuletzt von einem Pöstler zu Ihrer Nachbarin gebracht. Die menschliche Interaktionskette ist zwar für den Endverbraucher anonymer, aber zugleich vielgestaltiger – und sie ist durchaus menschlich.
Wieso wird also dem Bücherflohmarkt der Charme menschlicher Wärme attestiert, während globale Märkte als kalt und erbarmungslos gelten? Warum funktioniert der Markt für Konsumgüter mit den heutigen Regeln besser als jener für Immobilien? Und warum glauben viele Menschen, dass bei einem Tausch der eine gewinnt, was der andere verliert?
Die Skepsis gegenüber abstrakten und weniger fassbaren Tauschplätzen dieser Welt ist anthropologisch verankert, wenn auch nicht wissenschaftlich fundiert. Wir haben dieser Skepsis nachgespürt und besonnene Antworten gefunden, die zu einem Überdenken vieler kursierender Vorstellungen über die Mechanismen globaler Märkte anregen sollen.
Die Redaktion