Ist der Fussabdruck des Staates eine Grösse, die Ihr politisches Denken beeinflusst?
Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin SP Kanton Luzern «Die entsprechenden Zahlen schaue ich regelmässig an, der Verlauf der Staats- und Fiskalquote interessiert mich. Die Zahlen mögen eindeutig sein, die Interpretationen sind sehr verschieden. Wenn beispielsweise ein Marktversagen vorkommt, muss der Staat oft einspringen. Insofern ist die Frage nicht, ob eine bestimmte Höhe der Staatsquote gut oder schlecht […]
Prisca Birrer-Heimo, Nationalrätin SP Kanton Luzern
«Die entsprechenden Zahlen schaue ich regelmässig an, der Verlauf der Staats- und Fiskalquote interessiert mich. Die Zahlen mögen eindeutig sein, die Interpretationen sind sehr verschieden. Wenn beispielsweise ein Marktversagen vorkommt, muss der Staat oft einspringen. Insofern ist die Frage nicht, ob eine bestimmte Höhe der Staatsquote gut oder schlecht ist, sondern vielmehr: Welches sind die hoheitlichen Aufgaben eines Staates, die nicht delegiert werden können? Welches sind Güter und Dienstleistungen, die der ganzen Bevölkerung zugute kommen sollen, um verfassungsmässige Ziele wie die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt oder Chancengleichheit zu erreichen? Wer erfüllt diese Aufgaben am besten? Wenn diese Fragen in einem demokratischen Prozess beantwortet werden, bringt es nichts, sich über die Staatsquote aufzuregen und an Ideologien festzuhalten, die eine Quote von zum Beispiel dreissig Prozent als gut, schlecht oder besorgniserregend einstufen. Für sich genommen ist sie noch keine Aussage.
Die Fiskalquote steht in enger Beziehung zur Staatsquote. Sie beantwortet die Frage, wie beschlossene Leistungen zu finanzieren sind. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man sich für Investitionen verschulden darf. Der laufende Aufwand – sprich Konsum – muss jedoch aus den laufenden Einnahmen finanziert werden.»
Andrea Caroni, Nationalrat FDP Kanton Appenzell Ausserrhoden
«Es mag überraschen, aber die Staats- und Fiskalquoten beeinflussen mein politisches Handeln kaum. Da ich mich ohnehin ganz grundsätzlich von den Vorteilen einer freiheitlichen Wirtschaft und Gesellschaft leiten lasse, brauche ich keine Zahl, die mich vor zusätzlichem Etatismus warnt. Insofern ist es für mein Handeln egal, wie hoch eine Quote oder wie gross ein Fussabdruck ist. Auch wenn eine Quote tief wäre, wäre dies für mich als Liberaler ja noch lange kein Grund, liederlich mit der Freiheit umzugehen. So wäre zum Beispiel eine tiefe Steuerquote kein Grund für neue Steuern, genauso wenig wie angespartes Geld eine Aufforderung zur Verschwendung ist. Selbstverständlich erfüllen diese Indikatoren dennoch einen Zweck, nämlich einen kommunikativen: Zum einen lassen sich damit sozialistische Kampfbegriffe wie ‹Kaputtsparen› oder ‹Deregulierungswut› neutralisieren. Zum andern kann man Bürgern, welche einzelne Regulierungsschritte vielleicht als sinnvoll einschätzen, aufzeigen, wohin die Reise bislang ging und weiter geht. Ich stelle leider fest: Sie geht in die falsche Richtung.»
Thomas Aeschi, Nationalrat SVP Kanton Zug
«Die Staatsquote ist ein guter Fingerzeig, wie sich die Grösse des Staates entwickelt. Aus meiner dreijährigen Erfahrung in der eidgenössischen Finanzkommission kann ich berichten, dass dieser Grösse zu selten Achtung entgegengebracht wird. Ich bedaure, dass die Mehrheit der Parlamentarierinnen und Parlamentarier kaum darauf schauen und vielmehr stets auf Partikularinteressen schielen. Gerade in der Finanzkommission sollte achtsamer mit der Staatsquote umgegangen werden. Man muss sich nicht wundern, beschliesst das Parlament in der Regel zu schnell Mehrausgaben, ohne sich über die Art der entsprechenden Finanzierung klar zu werden. Steuererhöhungen, neue Gebühren oder andere Formen der Mehrabgaben sind die direkte Folge. Würde man in der Entscheidungsfindung jedoch den Fokus vermehrt auf die Staatsquote legen, so liessen sich viele Mehrausgabe-Beschlüsse verhindern.
Ich verspreche mir von der im Herbst einsetzenden Aufwertung der Finanzkommission viel. Bisher hat sie keine Anträge stellen, sondern nur Mitberichte an vorberatende Kommissionen senden können. Diese werden zwar nett zur Kenntnis genommen, aber ihnen wird nicht gefolgt. Künftig kann die Finanzkommission gleichberechtigt in allen Geschäften Anträge stellen.»
Lorenz Hess, Nationalrat BDP Kanton Bern
«Die Faktoren Staats- und Fiskalquote haben einen verhältnismässig grossen Einfluss auf mein Denken. Das hängt in meinem Fall sicherlich damit zusammen, dass ich als Gemeindepräsident einer Gemeinde wie Stettlen bei Bern gewissermassen mit der wirklich lebendigen Fiskalquote zu tun habe. Sie bleibt für mich nicht ein blosser Begriff, wie vielleicht für viele Parlamentarier, da ich direkt mit Steuerzahlern zu tun habe und ihnen für ihre Leistungen entsprechend verpflichtet bin.»
Pirmin Bischof, Ständerat CVP Kanton Solothurn
«Staats- und Fiskalquoten schaue ich genau an. Sie sind relative Kriterien zur Beurteilung eines einzigartigen Schweizer Systems der Marktwirtschaft, die eine soziale Abfederung kennt. Grundsätzlich sollte sich der Staat stets selbst beschränken und nur dort aktiv sein oder werden, wo er benötigt wird. Private sollten sich dort engagieren, wo es möglich ist. Die Rolle des Staates im Wettbewerb ist eine doppelgesichtige: Auf der einen Seite stellen wir steuerliche und andere Erschwerungen fest, auf der anderen Seite ist fairer Wettbewerb ohne direkte staatliche wettbewerbsrechtliche Eingriffe gar nicht erst möglich.
An einem anderen Punkt sind wir von fairem Wettbewerb jedoch noch weit entfernt: Wichtig wäre es, dass parastaatliche Firmen wie zum Beispiel Swisscom, die Post, die SBB oder die Energieunternehmen wirtschaftlich die gleich langen Spiesse haben würden wie private Player. Heute sind sie länger. Hier muss noch etwas geschehen.»