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Israels Feinde und ihre  westlichen Freunde
Matthias Küntzel, zvg.

Israels Feinde und ihre
westlichen Freunde

Der arabische Judenhass ist eine religiös geprägte Version des Goebbels’schen Antisemitismus. Linke Intellektuelle, die Israel kritisieren, blenden diesen Zusammenhang meist aus.

Als weltweit einziges Land ist Israel seit Beginn seiner Existenz mit dem Aufruf, es zu zerstören, konfrontiert. Ein erster Versuch fand am 15. Mai 1948 statt – wenige Stunden nachdem Ben-Gurion die Gründung Israels verkündet hatte. Vom Norden rückten syrische und libanesische, vom Osten jordanische und vom Süden ägyptische Streitkräfte vor, um das Land auszulöschen. Dieser Krieg werde «ein Ausrottungskrieg und ein bedeutendes Massaker» sein, warnte der Generalsekretär der Arabischen Liga. In der Tat mussten im ersten Nahostkrieg 6000 Israelis sterben, bevor der Überfall abgewehrt werden konnte.

Zwar entwickelte sich Israel in den nachfolgenden Jahrzehnten zu einer starken Macht. Gleichwohl halten dessen Feinde bis heute daran fest, es beseitigen zu wollen: durch politische Ächtung und ökonomischen Boykott, durch zwischenstaatliche Kriege oder durch Terrorkampagnen gegen jüdische Zivilisten. Immer wieder erwies sich Israels überlegene Militärmacht als das entscheidende Mittel, derart zerstörerische Ambitionen zu stoppen.

Und dennoch ist Israel das weltweit einzige Land, dem beständig das Recht abgesprochen wird, sich seiner Feinde angemessen zu erwehren. Zwar hat es nie ein anderes Land bedroht, zwar hat es sich immer wieder für eine Koexistenz mit palästinensischen Arabern und den benachbarten arabischen Staaten eingesetzt, zwar sucht seine Armee mehr als jede andere Armee der Welt Zivilisten vor «Kollateralschäden» zu schützen. Dennoch wird Israel auch von ­vielen, die vorgeben, seine Freunde zu sein, als Aggressor abgestempelt.

Heute haben wir es mit zwei Kategorien von Israelfeinden zu tun: auf der einen Seite die von Teheran finanzierten und religiös aufgehetzten Islamisten, die ihr «Wissen» über Juden aus einzelnen Koranversen und den «Protokollen der Weisen von Zion» beziehen. Auf der anderen Seite westliche Intellektuelle, die sich unter dem Signet einer «Israel-Kritik» an der Delegitimierung des Landes beteiligen.

Vom Goebbels’schen Antisemitismus …

Der islamistischen Seite geht es vor allem um eines: die Tötung israelischer Juden. Egal, ob die Kassam-Rakete oder der Selbstmordattentäter ein Baby tötet oder einen Greis, egal, ob es einen Freund oder Gegner Netanjahus erwischt – Hauptsache, es ist ein Jude, der stirbt. Nach jedem erfolgreichen Terroranschlag beginnt ein grauenvolles Ritual: Noch während die Opfer mit dem Tod ringen, verteilen ­Hamas-Kader Süssigkeiten an Kinder. Sie sollen von klein auf lernen, dass Massaker an Juden Anlässe zum Feiern sind. «Die Zeit der Auferstehung wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten», heisst es dazu passend in der Charta der Hamas.

«Der islamistischen Seite geht es vor allem um eines:

die Tötung israelischer Juden.»

Wir haben es hier mit einer religiös geprägten Variante des Goebbels’schen Antisemitismus zu tun. Wie dieser in den Nahen Osten kam, ist gut dokumentiert: Naziideologen verbreiteten ihren Judenhass 1938 in Sitzungen mit der ägyptischen Muslimbruderschaft; ab 1939 und bis 1945 indoktrinierten sie mit ihren arabischsprachigen Rundfunksendungen den arabischen Raum.1 Nach dem Ende Nazideutschlands entwickelte sich die Muslimbruderschaft mit einer Million Mitglieder zur grössten antisemitischen Bewegung der Welt. Sie knüpfte nahtlos an Hitlers Ambition an, einen Judenstaat um jeden Preis zu verhindern. Ihre Agitation bereitete die arabische Entscheidung, den jüdischen Teilstaat 1948 mit Krieg zu überziehen, massgeblich vor. Sie beeinflusste insbesondere Ruhollah Musavi, der später als iranischer Revolutionsführer Ruhollah Chomeini berühmt werden sollte und der sich ab 1979 das Ziel, Israel zu zerstören, auf die Fahnen schrieb. Nachfolger Ali Chamenei setzte Israel eine Überlebensfrist bis spätestens 2040 und liess iranische Raketen mit der Parole «Israel muss ausgelöscht werden» beschriften.

… zur «Israelkritik» der «Aufgeklärten»

Von einer «Auslöschung Israels» sprechen die «Israelkritiker» zwar nicht. Gleichwohl sind sie es, auf die das Verdikt des Antisemitismusforschers Léon Poliakov zielt: «Wer den Antisemitismus in seiner primitiven und elementaren Form nicht anprangert, und zwar gerade deshalb nicht, weil er primitiv und elementar ist, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob er nicht dadurch den Antisemiten in aller Welt ein Zeichen heimlichen Einverständnisses gibt.»2 Die «Israelkritik» der «Aufgeklärten» und «Progressiven» zeichnet sich in der Tat dadurch aus, dass sie die manifesten Auslöschungsfantasien der islamistischen Feinde Israels ausblendet und deren Antisemitismus verharmlost.

Da ist zum Beispiel die jüdische Philosophin Judith Butler, die 2006 dazu aufrief, «Hamas und Hisbollah als soziale, progressive Bewegungen zu verstehen, die zur Linken gehören, die Teil der globalen Linken sind».3 Sie weigert sich bis heute, die ideologischen Motive der Islamisten und ihren Antisemitismus wahrzunehmen. Sie delegitimiert die israelischen Verteidigungsanstrengungen, indem sie so tut, als gäbe es dafür keinen Grund. Gleichzeitig schiebt sie dem jüdischen Staat die Verantwortung für islamistische Gewalt in die Schuhe. Da kann es nicht verwundern, dass Butler zu den führenden Protagonisten der BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions) zählt.

Eine abgemilderte Form von Israelfeindschaft legen jene an den Tag, die den Antisemitismus der Islamisten und dessen aggressiven Charakter zwar zur Kenntnis nehmen, ihm aber mildernde Umstände attestieren. Der arabische Antisemitismus beruhe «im Unterschied zum europäischen Antisemitismus ‹immerhin› auf einer tatsächlichen Problematik, nämlich der Marginalisierung der Palästinenser», schreibt beispielsweise der deutsche Islam­forscher Jochen Müller.4 Dieses Paradigma, das zwischen einem nazihaften europäischen Antisemitismus und einem «immerhin» verständlichen Judenhass im ­Nahen ­Osten unterscheidet, blendet den NS-Einfluss auf das Judenbild vieler nahöstlicher Muslime aus. Es erfordert auch ein gehöriges Mass an Ignoranz in bezug auf die Erklärungen der Islamisten, wie zum Beispiel der Hamas-Charta. Offenkundig geht es jenen, die Israel für den Antisemitismus im Nahen Osten verantwortlich machen, ­darum, eine Grundannahme des Nahost-Diskurses zu retten: dass die Palästinenser stets Opfer und die Israelis stets Täter sind.

Woher aber kommt diese obsessive Neigung, Israel an den Pranger zu stellen und Juden selbst noch für den Antisemitismus verantwortlich zu machen? Ich vermute, dass es hier unterschwellig um Emotionen, um Schuldentlastungen geht. Wir müssen uns besonders in Deutschland die grosse psychologische Verlockung vor Augen halten, die darin besteht, Israelis pauschal die Verletzung von Menschenrechten vorhalten zu können. Dann nämlich scheinen wir Deutsche im Schuldsaldo fast quitt zu sein.

Dieses eingeschliffene Schwarz-Weiss-Muster, das dem jüdischen Staat reflexhaft alles mögliche Böse zutraut, ist selbst in unserer Sprache präsent. So ist seit Jahrzehnten von «dem Nahostkonflikt» die Rede, so als ob es im Nahen Osten nur diesen einen Konflikt gäbe. Dass fast jedes arabische Land mit verheerenden Konflikten zu tun hat, bei denen in Syrien 500 000 und in Jemen 370 000 Menschen getötet wurden, wird semantisch vertuscht.

«Aber ein einziges Wort kann kompakt und subtil ein ganzes Ideenkonstrukt transportieren und, beharrlich eingesetzt, das Bewusstsein formen», schreibt Ben Segenreich. «Wer ‹der Nahostkonflikt› sagt, suggeriert: Wir brauchen nur diesen Konflikt zu lösen, dann bricht der Frieden in der ganzen Region aus, und damit ist der Weltfrieden gesichert. […] Und in leisen Untertönen schwingt da sogar noch mit: ‹Der Nahostkonflikt›, der wurde uns von Israel eingebrockt, also stünde es um den Weltfrieden besser, wenn Israel nie entstanden wäre oder wenn Israel jetzt wenigstens endlich Ruhe gäbe.»5

Feindschaft gegen Israel äussert sich also nicht nur unmittelbar, sondern oftmals auch mittelbar – als «Israelkritik» sowie durch sprachliche Gepflogenheiten, die das Ressentiment gegen Israel perpetuieren. Besonders schlimm aber ist die Indifferenz, mit der westliche «Israelkritiker» die existenzielle Bedrohung Israels durch das iranische ­Regime und dessen Vasallen bagatellisieren. Hier passt das Urteil, das Thomas Mann 1941 über den Antifaschismus fällte: «Wer nicht gegen das Übel ist, leidenschaftlich und mit ganzer Seele dagegen, der ist mehr oder weniger dafür.»6

  1. Matthias Küntzel: «Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische ­Antisemitismus entstand», Berlin/Leipzig 2019, S. 59 ff und S. 78 ff.

  2. Léon Poliakov: «Vom Antizionismus zum Antisemitismus», Freiburg 1992, S. 104.

  3. radicalarchives.org/2010/03/28/jbutler-on-hamas-hezbollah-israel-lobby/

  4. Jochen Müller: «Wessen Geistes Kind? Arabischer Nationalismus, ­Islamismus und Antisemitismus im Mittleren Osten», in: kommune, Heft 2/3, 2003, S. 74.

  5. Ben Segenreich: «Faszinosum Israel». In: Erwin Javor und Stefan ­Kaltenbrunner (Hrsg.): «Israel. Was geht mich das an?, Wien 2022, S. 66 f.

  6. Thomas Mann: «Briefe 1937–1947», Frankfurt/M. 1963, S. 176.

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