
Intuition nützt Frauen
Die Bedeutung des Unterbewusstseins bei Investitionsentscheidungen wird unterschätzt. Dabei fördert es die Geschlechtergerechtigkeit.
Trotz Fortschritten bei der Gleichstellung der Geschlechter stehen Frauen bei der Beschaffung finanzieller Ressourcen an Kapitalmärkten noch immer vor Hürden.1 Bisherige Studien identifizierten als Gründe stereotypisches Verhalten und unbewusste Vorurteile, die sich auf die Beurteilung von Frauen im Rahmen der Beschaffung von Risikokapital nachteilig auswirken. Auch die Intuition wird oft als Erklärung für geschlechtsspezifische Vorurteile herangezogen.2 Intuition ist die Fähigkeit, aufgrund unbewusster Eindrücke, Erfahrungen und Wissen schnelle, spontane Entscheidungen zu treffen, ohne dass dabei bewusstes logisches Denken im Vordergrund steht.
Die empirische Evidenz stützt diese Vorstellung jedoch nicht – im Gegenteil: Intuition spielt eine entscheidende Rolle dabei, die Geschlechtergerechtigkeit im Crowdfunding zu fördern.3 Unsere Studie verdeutlicht, dass Frauen dank der Intuition der Investoren ebenso erfolgreich wie Männer darin sind, finanzielle Mittel zu sammeln. Demnach beruht der Erfolg von Frauen im Zugang zu Finanzierung unter anderem auf der intuitiven Entscheidungsfindung der Investoren.
«Frauen sind dank der Intuition der Investoren ebenso erfolgreich darin
wie Männer, finanzielle Mittel zu sammeln.»
Intuition wirkt Vorurteilen entgegen
Die Studie, die zwischen Juli 2021 und August 2022 durchgeführt wurde und 2911 Probanden aus Europa und den USA einschloss, untersuchte den Einsatz von Intuition bei Investoren anhand von Selbstberichten und tatsächlichem Verhalten in realen Crowdfunding-Kampagnen. Die Ergebnisse aus drei Experimenten inklusive zweier ergänzender Intuitionsmessungen (Selbstberichte und Verhaltensmessungen durch rasche Investitionsentscheidungen) zeigen, dass weder die Förderung der Investitionsbereitschaft durch Intuition noch das Fehlen dieser Förderung als Grund für geschlechtsspezifische Vorurteile bei Anlageentscheidungen angeführt werden kann. Diese Schlussfolgerung bleibt unabhängig davon bestehen, ob Vorurteile vorhanden sind oder nicht.
Damit wird die Hypothese bekräftigt: Die Intuition ist im Durchschnitt nicht verantwortlich für Voreingenommenheit, unabhängig von ihrer Erfassung durch Selbstberichte oder Verhaltensmessungen und ungeachtet vorhandener Geschlechterpräferenzen. Im Gegenteil: Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sie zur Förderung der Geschlechtergleichstellung beiträgt.
Die Studie legt nahe, dass Geschlechterpräferenzen zwar existieren können, die Intuition jedoch nicht als Erklärung dafür herangezogen werden kann. Stattdessen betont sie die entscheidende Rolle der Intuition von Investoren bei der Förderung der Geschlechtergerechtigkeit. Die vorliegenden Ergebnisse verdeutlichen, dass eine Neubewertung des wissenschaftlichen Ansehens der Intuition erforderlich ist.
Die Studie zeigt zudem, dass Frauen im Crowdfunding-Kontext mindestens ebenso erfolgreich sind wie Männer. Sie untersuchte, ob Intuition die Geschlechtergerechtigkeit bei diesem neuen Finanzinstrument fördert. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Intuition der Investoren unabhängig vom Geschlecht des Präsentators (der Person, die ein zu finanzierendes Projekt initiiert hat und dieses den Investoren auch vorstellt) ein bedeutender Faktor für ihre Bereitschaft zur Investition ist.
Bei der Messung der tatsächlichen Verwendung von Intuition ergeben sich methodische Herausforderungen, darunter die präzise Erfassung von Intuition und kulturelle Unterschiede. Deshalb führten wir Laborexperimente und Feldexperimente durch, um die Hypothesen zu testen und die Ergebnisse zu bestätigen.
Vielfältigere Gremien
Die praktische Implikation der Untersuchung ist weitreichend. Sie legt nahe, dass Investoren ihre intuitive Entscheidungsfindung bewusst nutzen sollten, um Geschlechtergerechtigkeit im Crowdfunding zu fördern. Indem Investoren sich von geschlechtsspezifischen Vorurteilen und Stereotypen lösen und stattdessen auf ihre Intuition vertrauen, können sie zu einer fairen und ausgewogenen Finanzierungslandschaft beitragen.
Angesichts der Ergebnisse schlagen wir auch vor, dass Crowdfunding-Plattformen und -Organisationen Massnahmen ergreifen, um die Geschlechtergerechtigkeit zu fördern. Dazu gehören beispielsweise die Sensibilisierung der Investoren für ihre intuitiven Entscheidungsprozesse und die Bereitstellung von Schulungen und Informationen, um mögliche geschlechtsspezifische Vorurteile zu überwinden. Investoren könnten durch die Implementierung von Feedback-Mechanismen und die Bereitstellung von Datenanalyse-Tools dazu angeleitet werden, ihre eigenen Entscheidungsprozesse zu reflektieren, geschlechtsspezifische Muster zu überprüfen und potentielle Vorurteile zu erkennen.
Zudem unterstreicht die Studie die Relevanz von Vielfalt und Inklusion in den Gremien, die im Crowdfunding-Sektor Investitionsentscheidungen treffen. Der Einbezug von Personen verschiedener Geschlechter, Hintergründe und Perspektiven kann dazu beitragen, eine…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1110 – Oktober 2023 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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