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«In realen Werten denken»

Finanzgeschäft und Realwirtschaft driften zunehmend auseinander. Das müsste nicht sein. Zwei Bankiers lancieren eine neue Währung, die auf Leistung statt auf gutem Glauben beruht.

In ihrem Buch «Der RealUnit. Zur Quelle der Geldwertstabilität» suchten Karl und Remy Reichmuth vor neun Jahren eine Lösung für das grösste Problem unserer Währungsordnung. Sie entwickelten ein Anlagevehikel, das die Sparer vor der Geldentwertung schützen soll, indem es sie am Wachstum teilhaben lässt. Mit dem RealUnit erfanden sie eine Währung, die wieder durch reale Werte gedeckt
ist – nicht mehr durch Gold, sondern durch die Wirtschaftsleistung.

Sieben Jahre lang legte Karl Reichmuth eine Million Franken gemäss seiner eigenen Empfehlung an – mit einem besseren Ergebnis als demjenigen aller Sparkonti und fast aller Strategiefonds. Jetzt wollen Karl und Remy Reichmuth mit einem breitdiversifizierten, liquiden Fonds die Vorsorger auf ihr Anlagevehikel aufsteigen lassen.

 

Karl Reichmuth, Sie arbeiten seit einem halben Jahrhundert mit Geld, trauen ihm aber nicht recht. Haben Sie den Beruf verfehlt?

KR: Im Gegenteil. Ich bemühe mich, das Vertrauen zu schaffen, auf dem mein Beruf beruht. Gerade darum beschäftige ich mich mit dem Misstrauen gegenüber dem Geld; dieses Misstrauen habe ich quasi geerbt.

 

Von wem?

KR: Mein Vater erlebte als Käsermeister und Schweinezüchter noch die Lateinische Münzunion. Er konnte um 1900 für einen Schweizer Franken, einen französischen Franc oder eine italienische Lira je vier Liter Milch ausmessen. Als ich 1970 erstmals die Filiale der Kreditanstalt in Schwyz leitete, berechnete ich die Geldentwertung. Damals gab es für eine Lira keinen Tropfen Milch mehr; dabei hatten die Italiener bei den Lire inzwischen schon drei Nullen gestrichen. Die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts müssen jeden am Geld zweifeln lassen.

 

Remy Reichmuth, Sie haben im Ökonomiestudium und in der Finanzanalystenausbildung auch Finanzmarkttheorie gebüffelt. Sehen Sie die Haltung Ihres Vaters als Marotte?

RR: Als er mich 2001 erstmals für ein Buch zur Geldwertstabilität beizog, fiel es mir tatsächlich schwer, seinen Gedanken zu folgen. Aber inzwischen ist dieses Thema ebenfalls mein Hobby und auch mein Beruf; ich muss mich als Bankier ja täglich mit diesen Fragen auseinandersetzen.

 

Weshalb?

RR: Das Geld, das der Staat herausgibt, ist eine wunderbare Erfindung, aber nur zum Tauschen gegen Güter, nicht zum Bewahren von Werten. Es ist die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes, der wir misstrauen. Wenn wir sehen, dass die Staaten das Problem der Überschuldung mit weiteren Schulden lösen wollen, stellen sich doch ernste Fragen. Euroland war 1980 mit 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes verschuldet, jetzt sind es 85 Prozent, und die implizite Verschuldung aufgrund der versprochenen Leistungen in der Altersvorsorge und im Gesundheitswesen liegt in den meisten Ländern bei mehreren hundert Prozent. Wollen Sie Ihre Ersparnisse weiter solchen Staaten anvertrauen?

 

Was haben Sie gegen das vom Staat garantierte Geld?

RR: Es lässt sich missbrauchen. Wie das schon die Chinesen taten, die im 12. Jahrhundert das Papiergeld erfanden, bis hin zu den Amerikanern, denen Roosevelt 1933 verbot, privat Gold zu halten, damit der Dollar sich unbemerkt abwerten liess. Besonders drastisch zeigte sich das 1922 nach dem Griechisch-Türkischen Krieg. Im schwerüberschuldeten Griechenland mussten die Leute die Banknoten entzweischneiden: mit der einen Hälfte konnten sie weiter Tausch treiben, mit der anderen mussten sie Staatsanleihen zeichnen.

KR: Diesen Missbrauch erkannte der Ökonom Friedrich August von Hayek. In einer Schrift von 1976 forderte er deshalb die Entnationalisierung des Geldes.

Sie berufen sich auf den grossen Denker, wenn Sie von einer Privatisierung des Geldes sprechen. Was soll privates Geld sein?

KR: Auch das lernte ich ganz handfest von meinem Vater. Als er die Käserei meinem Bruder übergab, verlangte er, um in der Tauschwirtschaft seinen Bedarf an Franken zu befriedigen, als Entgelt eine monatliche Rente im Gegenwert einer Sau; er erhielt also unabhängig von der Geldentwertung immer den Preis von 130 Kilo Fleisch. Die Lehre ist: es geht darum, in realen Werten zu denken. Mein Vater als Schweinemäster dachte in Sauen, wir als Bankiers denken ans Bruttoinlandprodukt.

 

Ist diese Schweinezüchteridylle für einen Jungbanker von heute nicht die pure Nostalgie?

RR: Nein, gar nicht. Es geht nicht um Nostalgie, sondern um ein akutes Problem. Wie können die Sparer und Vorsorger den Wert ihrer Vermögen halten? In den letzten fünfzig Jahren verlor der Dollar 86 Prozent seiner Kaufkraft – als Weltwährung! Und die nächste Krise steht bevor. Wir erwarten sie nicht wegen einer Aktien- oder Immobilien-Blase, sondern aufgrund der Staatsverschuldung. Infolge der Überschuldung vieler Länder droht starke Inflation, weniger bei den Konsumgütern, die wir aus den Schwellenländern immer noch billig bekommen, als bei den Vermögenswerten, die sich wegen der Geldschwemme aufblähen. Wer nur Nominalwerte besitzt, also Sparguthaben oder Anleihen, leidet schwer unter dieser Inflation, weil er im Vergleich immer weiter zurückfällt. Davor wollen wir die Sparer schützen, indem wir sie an Realwerten beteiligen.

 

Aber die Globalisierung verdankt ihren Siegeszug doch der Loslösung des Geldes von den realen Gütern, seit die Amerikaner 1971 die Bindung des Dollars an das Gold aufgaben.

KR: Die Globalisierung setzte sich vor allem dank den Innovationen in der Logistik und in der Informationstechnologie durch. Natürlich förderte das billige Geld, das aufgrund der
lockeren Politik der Notenbanken zur Verfügung stand, das Wachstum rund um die Welt. Aber die Geldschwemme führte vor allem dazu, dass die Finanzwelt abhob. In den letzten Jahrzehnten drifteten Finanzgeschäft und Realwirtschaft bedenklich auseinander, weil sich mit Geld so leicht noch viel mehr Geld verdienen liess.

RR: Auch zu den Ungleichgewichten zwischen China und den USA, also den Bilanzdefiziten der überschuldeten Amerikaner, die letztlich die Welt in die Krise stürzten, hätte es nie kommen können, wenn den Billionen von Dollars wirkliche Werte hätten unterliegen müssen. Selbstverständlich blühte der Handel dank diesem Währungssystem. Aber es ist nicht nachhaltig, wie wir jetzt sehen.

 

Dann meinen Sie – wie die Chinesen –, die Welt sollte sich vom Dollar abwenden und eine unabhängige Währung einführen, die auf dem Goldstandard oder den Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds beruht?

RR: Absolut, jetzt haben wir ja ein völlig inhaltsloses Währungssystem. Die Sonderziehungsrechte sind allerdings aus denselben Gründen fragwürdig wie die nationalen Währungen, und eine Rückkehr zum Goldstandard würde zum Problem führen, dass die verfügbare Goldmenge nicht so schnell wächst wie die Wirtschaft. Aber die Informationstechnologie ermöglicht uns heute, dem Geld als Wertaufbewahrungsmittel einen Inhalt zu geben – wie gesagt, nicht mit Sauen, sondern mit der Wirtschaftsleistung. So kommen wir weg von einer kreditbasierten Geldordnung, hin zu einer leistungsbasierten.

 

Misstrauen Sie denn auch dem Schweizer Franken? Die Nationalbank macht doch einen guten Job.

KR: Das ist in der Tat so. Eigentlich müssten wir unser Anlageinstrument zuerst in allen Euro-Ländern einführen, wo sich viel dringendere Probleme stellen. Der RealUnit wäre eine gute Lösung für Deutschland oder Griechenland, wo eine starke Inflation droht, oder auch für Argentinien mit seiner zerrütteten Währung. Wir wollen ihn denn auch ins Ausland bringen. Der RealUnit-Fonds ist allerdings nicht das Extremportefeuille, mit dem wir uns auf eine starke Inflation einstellen könnten; doch schützt er uns vor einer solchen immerhin besser als das Sparbuch. Unser Ziel ist die Werterhaltung bei Inflation wie bei Deflation. Da nützt uns der RealUnit in der Schweiz ebenfalls, denn diese kann in den Turbulenzen, die sich ankünden, keine Insel bleiben.

 

Warum?

KR: Auch 1936 musste die Schweiz den Franken abwerten, als letztes Land, weil sie nach den kompetitiven Abwertungen der anderen Staaten sonst nicht hätte im internationalen Wettbewerb bestehen können. Es ist ja typisch, dass wir uns in der Schweiz solche Gedanken machen. Wir stossen in unserem kleinen Land immer an Grenzen. Ich musste schon in anderen Währungen denken lernen, als ich 1958 auf meiner ersten Velotour nach Genua fuhr. In den grösseren Ländern können sich die Leute fühlen wie in der katholischen Kirche: dies ist mein Glaube – ich kenne nichts anderes. Zur Heimat gehört für die Schweizer immer ein Stück Ausland; deshalb enthält der RealUnit auch internationale Werte.

 

In der Privatbank beraten Sie vermögende Kunden, die sich selber helfen können.

RR: Ja, diese denken bereits in individuellen Währungen, indem sie sich die eigene, auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Vermögensallokation zusammenstellen.

 

Weshalb kümmern Sie sich also um die kleinen Sparer, mit denen sich kaum etwas verdienen lässt?

KR: Meine zehn Jahre bei der Luzerner Kantonalbank zeigten mir einfach, dass die kleinen Sparer selbst in der stabilen Schweiz mit Sparkonti oder Kassenobligationen den Wert ihrer Spar- und Vorsorgegelder nicht erhalten können. Das empfand ich immer als eines der grössten Probleme in unserem Land.

 

Und warum tun nur Sie etwas dagegen?

KR: Die Banken, die Konti oder Fonds anbieten, profitieren halt auch von diesem Geldsystem.

 

Sie wollen ihnen mit dem RealUnit das Geschäft vermiesen, indem Sie sogar drauflegen?

RR: Das ist nicht unsere Absicht; lediglich in der Einführungsphase geht die Rechnung voraussichtlich nicht auf. Für einen durchschnittlichen Strategiefonds fallen Gesamtkosten von 1,8 Prozent an, sie fressen also einen Teil der Performance weg. Wir rechnen dagegen, da wir das Fondsvermögen mit Exchange Traded Funds passiv verwalten, mit Gesamtkosten von 0,9 Prozent. Bei kleinen Volumen legen wir tatsächlich eher drauf. Doch wir streben mindestens 100 Millionen Franken an, dann können wir die Kosten sogar weitersenken und schreiben gleichwohl schwarze Zahlen.

 

Aber ein gutes Geschäft ist es auch dann noch nicht. Weshalb machen Sie es dann?

RR: Wir wollen in unserer Privatbank die Kundenbedürfnisse erkennen und die Finanzmärkte verstehen: Mensch und Geld in Einklang. Jetzt sehen wir Bedürfnisse der Sparer und Vorsorger, weil es aufgrund der nicht nachhaltigen Verschuldung der Staaten zu ernsten Problemen kommt: Auch diese Bedürfnisse möchten wir mit unserem Ansatz befriedigen. Mit dem RealUnit-Fonds schaffen wir eine Wertaufbewahrungslösung nicht auf individueller, sondern auf standardisierter Basis für die breite Bevölkerung.

KR: Ich bin überzeugt, das kapitalistische System, dem wir unseren Wohlstand verdanken, lässt sich nur retten, wenn wir dieses Problem lösen. Deshalb möchte ich mich in meiner dritten Lebensphase für die Sparer einsetzen.

 

Die Schweizer sparen doch schon genug.

KR: Genug schon, aber falsch – irgendwann erleben sie eine Enttäuschung, weil der Staat seine Versprechen nicht halten kann.

RR: Unser Ziel ist es nicht, zum Sparen zu animieren – wohl aber sinnvolle, werterhaltende Anlagen für jene zu bieten, die sparen wollen.

 

Sie sprachen im letzten halben Jahr, als Sie die Einführung des RealUnit vorbereiteten, mit vielen Leuten. Welches Echo bekamen Sie?

RR: Die Finma zeigte sich interessiert, sie liess sich auch unser Buch von 2001 zustellen. Ebenso die Grossbanken, die wir als Depotbanken prüften. Allerdings lösten wir bei ihnen Verwunderung aus, da wir den Vertrieb nicht mittels Retrozessionen an die Berater aufziehen. So scheint das normalerweise zu laufen.

 

Wie wollen Sie denn den RealUnit an die Leute bringen, wenn die Banken als Vermittler ausfallen?

KR: Indem wir wie einst Gottlieb Duttweiler mit dem Lieferwagen von Stadt zu Stadt fahren. Im Ernst: wenn unsere Idee so gut ist, wie wir meinen, dann nimmt sie grössere Dimensionen an. Wir können also, wie die Migros auch, mit niedrigsten Margen ein Geschäft aufziehen. Die Umsetzung ist simpel, ein Auftrag bei irgendeiner Bank genügt.

RR: Wir hoffen, die Aufmerksamkeit der Leute zu gewinnen. Die Gespräche mit Freunden zeigen mir, dass wir wirklich einen Nerv treffen. Das sehen Sie auch daran, dass die Deutschen soeben bei einer Umfrage nach ihren Sorgen die überbordende Staatsverschuldung als grösste nannten. Das Thema bleibt uns noch jahrelang erhalten.

KR: Und bekanntlich ist nichts so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.

galerie  James Licini

«Stahlbau HE 22», Kantenlänge 55 cm, 2004

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Auftakt

Wir sind auf die Finanzordnung fixiert, in der wir leben. Die Ordnung ist, wie sie ist, und sie ist gut so: staatliches Geld, möglichst unabhängige Zentralbanken, private und halbstaatliche Geldinstitute in einem Teilreserve-Bankensystem, in dem Geld aus dem Nichts geschaffen werden kann. Kein Zweifel – die Jahrzehnte seit dem Zweiten Weltkrieg haben uns und der […]

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