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Im Spannungsfeld von Wirtschaft und Politik

Neuer Präsident bei Economiesuisse

Der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, seit dem Jahr 2000 als Economiesuisse neu formiert, hat in den letzten Monaten für unliebsame Schlagzeilen und – je nach Windrichtung – besorgte oder hämische Kommentare gesorgt. Zwar liegt wohl den meisten Schweizern die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt, sprich wirtschaftliches Gedeihen, näher am Herzen als die anderen Staatszwecke, doch wird im täglichen Sprachgebrauch «die Wirtschaft» nicht als Gesamtsystem verstanden, an dem alle teilhaben, sondern als Kaste von Unternehmern und Managern, die vor allem nach Profit streben. Wenn es kriselt, das wirtschaftliche Wachstum stagniert, Arbeitsplätze verloren gehen und die Löhne nicht steigen, hagelt es zwar Kritik an angeblichen Versagern. Geht es dann wieder besser, mischt sich in die Freude darüber alsbald der Ärger, dass Tüchtige und Erfolgreiche mehr profitieren als andere.

Glücklicherweise ist dieses kritische Bild, das wir täglich vorgesetzt bekommen, nicht repräsentativ für das tatsächliche Verhalten jener grossen Mehrheit der Bevölkerung, die sich an den Realitäten orientiert und sieht, dass Erfolge erarbeitet werden müssen. Bei Urnenentscheiden denken Bürgerinnen und Bürger immer auch an ihr Portemonnaie und verweigern sich Forderungen, die letztlich dem wirtschaftlichen Gesamtinteresse schaden könnten. Dass Politik vornehmlich aus dem Widerstreit wirtschaftlicher Interessen besteht, wird aber nicht nur regelmässig bei Volksabstimmungen sichtbar, sondern auch in der starken Stellung der organisierten Wirtschaftsinteressen im Gesetzgebungsverfahren bis ins Parlament hinein, das mehr Lobbyisten in seinen eigenen Reihen zählt als in seinem Umfeld.

Die wirtschaftlichen Organisationen – Verbände auf der einen, Gewerkschaften auf der anderen Seite – können ihr Gewicht auf allen Stufen des politischen Prozesses einsetzen, was dazu führt, dass sie ihre Eigeninteressen in die politische Konsensmechanik einfliessen lassen und sie entsprechend zu Kompromissen Hand bieten müssen. Es fällt oft schwer, dies selbst der eigenen Basis zu vermitteln, was in jüngster Zeit vor allem in Gewerkschaften zu Konflikten geführt hat. Hinzu kommt, dass die Interessen «der Wirtschaft» keineswegs homogen, sondern oft gar gegensätzlich sind, etwa zwischen grossen und kleinen, auf den Export oder auf den Binnenmarkt ausgerichteten Unternehmen und Branchen, sowie zwischen Werkplatz und Finanzplatz. Dem Dachverband Economiesuisse haben beide Antagonismen zu schaffen gemacht. Die Globalisierung und der damit verbundene Wettbewerbsdruck hat die Interessenkonflikte zwischen Aussen- und Innenorientierung spürbar verschärft und das ordnungspolitische Verständnis der Rollen von Staat und Wirtschaft etlichen Anfechtungen ausgesetzt.

Es kommt hinzu, dass die politische Rolle der Economiesuisse bei Volksabstimmungen in den eigenen Kreisen Bedenken geweckt hat. Vor der Fusion war diese Funktion von der «Wirtschaftsförderung» wahrgenommen worden, während der «Vorort» sich auf die Formulierung der grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Standpunkte beschränken konnte. Die Zentralisierung und Professionalisierung der Kampagnenorganisation lässt heute eine klare Unterscheidung von wirtschafts- und staatspolitischen Interessen kaum mehr zu. Die Frage ist nicht zu überhören, ob nicht eine Trennung der beiden Funktionen nötig wäre, um die Standpunkte der Wirtschaft wieder profilierter darstellen zu können. Die Absetzbewegungen einiger Verbände zeigen, dass entweder die Gegensätze tiefer greifen, als man in der Öffentlichkeit wahrgenommen hat, oder dass die interne Kommunikation ungenügend war.

Damit ist auch die Frage der Organisation angesprochen, die mit den Schwierigkeiten der Nachfolgeregelung im Präsidium des Dachverbandes offenkundig wurde. Traditionellerweise rekrutieren sich die Führungsgremien aus den obersten Chefs grosser und mittlerer Unternehmen – die Liste ist ein eigentliches Who’s Who der schweizerischen Wirtschaft. Auch der ehrenamtliche Präsident war bisher stets ein aktiver Unternehmer oder Manager und konnte dadurch, bei aller persönlichen Integrität, in allfälligen Interessenkonflikten nie ganz unabhängig sein. Mit der Wahl eines in Führungspositionen der Wirtschaft nicht mehr aktiven und in der Politik erfahrenen, aber nun ebenfalls aus dieser ausscheidenden Präsidenten hat man jetzt wohl den richtigen Weg eingeschlagen, hat dem Amt die nötige Zeit und eine gewisse Distanz zu den Exponenten der verschiedenen Lager eingeräumt und ihm so zusätzliches Gewicht verliehen. Gerold Bührer wird die Kräfte der Milizführung und der professionellen Organisation stärker bündeln müssen, und er hat gute Gründe, die vielfältigen Aufgaben des Dachverbandes im Spannungsfeld von Wirtschaft und Politik einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen.

Ulrich Pffister, geboren 1941, ist Publizist in Zürich.

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