Im Auftrag des Kunden – was heisst das?
Wer «Vertrauen» sagt, meint oft nur «Intransparenz». Auch viele Bankiers haben zu lange gemauschelt, statt Klarheit über ihre Entschädigung herzustellen. Wie können sie das Vertrauen der Kunden – ihrer Auftraggeber – zurückgewinnen?
Es herrscht Verunsicherung über die Rechtschaffenheit der Schweizer Privatbankiers. Natürlich wird sie gezielt geschürt von Seiten internationaler Politik und globaler Konkurrenz, die das helvetische Bankgeschäft seit Jahrzehnten mit Argwohn beobachten. Zu einem Teil ist sie jedoch selbstverschuldet. Dabei ist es in meinen Augen vor allem der unbedachte Umgang mit dem Auftragsverhältnis, in dem der Privatbankier gemeinhin steht, der zu Skepsis Anlass gibt. Die Bankiers täten darum gut daran, mehr Licht in die Mechanismen und Prozesse ihres Geschäftes zu bringen und Interessenkonflikte konsequent zu vermeiden. Ich würde darum meinen: Eine Rückbesinnung auf einfache ethische Grundsätze bei der Besorgung fremder Geschäfte täte not.
Der klassische Prinzipal-Agent-Konflikt
Der Prinzipal beauftragt den Agenten in der Erwartung, dass dieser die Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne des Auftraggebers erfüllt, und dies erfolgreicher, als wenn der Prinzipal selber aktiv würde. Das Verhältnis ist aber von Natur aus problembeladen, weiI beide Parteien strategisch denken und im Endeffekt eine Verbesserung der eigenen Position anstreben. Störungen können aus verschiedenen Gründen auftreten: wegen Informationsasymmetrien, bewusster oder unbewusster Unterschiede in den Absichten, falscher Anreizsysteme.
Im Verhältnis zwischen dem Kunden und dem Privatbankier zeigt sich der Prinzipal-Agent-Konflikt in ganz grundsätzlicher Weise. Die asymmetrische Informationsverteilung ist hier einerseits Problem, andererseits aber gerade Grund und Motivation des Auftragsverhältnisses. Die wohlhabende Person sucht sich den Bankier schlicht deshalb, weil dieser in der Sache hoffentlich mehr weiss, sei es über Märkte, Investitionstechniken oder Vermögensadministration. Dieses Mehrwissen kann der Beauftragte aber natürlich auch zu seinem eigenen Vorteil ausnützen, insbesondere wenn er mit dem Auftragsverhältnis auch noch andere Rechtsverhältnisse verknüpft, beispielsweise kaufrechtliche, und er somit dem Mandanten immer auch als Verkäufer gegenübersteht. Damit entstehen zwangsläufig Interessenkonflikte des Bankiers (besonders einträgliche und problematische, wenn er das Wissen aus seinen gleichzeitigen Aktivitäten im Investmentbanking schöpft!), die ihm verlockende Nebenverdienstmöglichkeiten eröffnen. Im äussersten Fall kann es gar vorkommen, dass der Privatkunde als Absatzkanal für Positionen missbraucht wird, welche die Bank gerne los wäre.
Es scheint nun immerhin, dass sich in neuerer Zeit das Sensorium für diese Probleme schärft, die Banken jedoch bislang viel zu zögerlich reagiert haben. Jedenfalls entstand über die Jahre um dieses Thema ein Nährboden für Unbehagen und Misstrauen gegenüber den Finanzinstituten.
Transparenz und Vertrauen
Es erstaunt mich immer wieder, wie locker und verdächtig häufig unsere Bankiers das Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und Bank beschwören und dabei offensichtlich nicht realisieren, welche Anmassung und Zumutung darin eigentlich liegt. Dass in einer anständigen Welt der Kunde vertrauen darf, ist ja gut. Nur: wollen wir akzeptieren, dass der Bankier das Vertrauen des Kunden einfordert, nur weil er ihn über viele Aspekte seiner Arbeit im dunkeln lässt? Vertrauen darf, wer kontrollieren kann! Und so ist es doch ein Gebot des Anstandes, dass der Bankier dem Kunden grösstmögliche Transparenz in bezug auf die wichtigen Aspekte des Auftragsverhältnisses vermittelt, statt in quasi vornehmer Manier dem Kunden ein Vertrauen abzuverlangen, das nur notwendig ist, weil der Bankier mauschelt. Der Vermögensverwalter, der um seine Auftragserfüllung ein Klima der Intransparenz aufbaut oder nur schon duldet und in der Folge dem Kunden Vertrauen abverlangt, verdient dieses nicht. Erst die Bereitschaft zu Transparenz schafft die Basis für Vertrauen.
Interessenvertreter und Verkäufer
Der Vermögensverwalter ist dem Interesse des Kunden verpflichtet. Dafür, und nur dafür, soll er sich bezahlen lassen. Und wenn’s denn so ist, hat er ein gutes Honorar verdient, denn gute und ehrliche Verwaltungsarbeit ist anspruchsvoll. Und er darf und muss zur Remuneration stehen, soll dem Kunden darüber offen und detailliert Rechenschaft ablegen; das ergibt sich schon aus der auftragsrechtlichen Rechenschaftspflicht gemäss Art. 400 OR. Das Bundesgericht hat dies ja nun auch in bezug auf erhaltene Retrozessionen unmissverständlich entschieden.
Nun ist es aber eine alte Erkenntnis: «Ist der Handel noch so klein, bringt er doch mehr als Arbeit ein.» Die eigentliche Dienstleistungsarbeit des Verwaltens zusätzlich mit einer Handelskomponente für die Bank etwas zu versüssen, ist grundsätzlich eine alte Versuchung. Dieser, und darin liegt wohl der Hauptgrund der Gefahr des Zerfalles der Beziehung Bank–Privatkunde, sind die Banken in den letzten Jahren in teilweise inakzeptablem Masse erlegen.
Statt sich korrekt und unbedingt in den Dienst des Kunden zu stellen und in dieser Konstellation gute Arbeit zu leisten, sind die Banken unmässig geworden und haben im Eigeninteresse (natürlich auch für die Augen fordernder und kurzfristig denkender Aktionäre) den Handel mit dem Vermögensverwaltungskunden und die Herstellung von in den Verwaltungsmandaten zu benutzenden Finanzprodukten forciert. Die Situation, in welcher der Beauftragte für seinen Auftraggeber verwaltend tätig ist, ihm gleichzeitig aber etwas verkauft, führt zu einem grundsätzlichen Interessenkonflikt: Als Vermögensverwalter müsste er das Gut (im hier dargestellten Fall meist ein Wertpapier) dem Auftraggeber in Vertretung von dessen Interessen möglichst billig anbieten, als ökonomisch denkender Verkäufer aber möglichst teuer.
Abgesehen von der reinen Preisbildung liegt ein verlockender Interessenkonflikt auch in der Transaktionshäufigkeit: Das Laster, das sich früher im einfachen «Hin und Her macht Taschen leer» (die des Kunden notabene), im sogenannten «Churning», manifestierte, wurde mit dem Aufkommen aller Arten von Finanzprodukten potenziert und noch perfider. Auch wenn die Finanzindustrie in neuerer Zeit zugegebenermassen (mindestens technisch) interessante Anlagevehikel kreiert hat, und dies häufig auch als Reaktion auf entsprechende Kundenbedürfnisse, muss doch lapidar festgehalten werden: Ein beträchtlicher Anteil der Finanzprodukte wurde von Banken lediglich produziert und verwendet, um relativ elegant eine weitere Schicht von Erträgen einzubauen, ohne dass sie dem Kunden allzu offensichtlich ins Auge springen.
Ethik, Moral und Regulierung
Die oben beschriebenen problematischen Verhaltensmuster können regulatorisch nur beschränkt angegangen werden, denn sie sind oft einfach Resultat einer problematischen, aber in den Augen der Bank gerade noch akzeptablen Ermessensausübung im Schutze der Intransparenz.
Dem könnte in einem liberalen Sinne schon einmal mit einer auf Ethik und Moral basierenden Selbstbescheidung der Bankiers entgegengewirkt werden, und mit einer bewussten Restrukturierung der Vermögensverwaltung im Hinblick auf die Vermeidung von Interessenkonflikten.
Jedenfalls täten die Bankiers gut daran, dem Gestaltungsdrang der Regulatoren durch freiwillige Verbesserung der Dienstleistungsstruktur und -kultur zuvorzukommen. Das Lamento der Banker über die gegenwärtige Regulierungswut in ihrer Branche ist unüberhörbar. Dass eine verschärfte Regulierung jedoch nur notwendige Folge eines Zerfalles von Ethik und Moral ist und diesem meistens auf dem Fusse folgt, ist alles andere als neu und müsste den entsprechenden Akteuren bestens bekannt sein.
Konklusion
Wo kann konkret angesetzt werden? Die Gefahren einer Kombination von Vermögensverwaltung und Investmentbanking in einem Haus sind mittlerweile viel diskutiertes Thema, sie wurden oben nur kurz angesprochen. Entsprechende Trennungen würden zum Thema Interessenkonflikte natürlich vieles klären.
Innerhalb der Vermögensverwaltung liegt viel Verbesserungspotential im Überdenken der Remunerationssysteme: Dass ein auf Transaktionskosten basiertes Entgelt des Vermögensverwalters grundsätzlich problematisch ist, sollte mittlerweile allgemein bekannt sein. Als Alternativen bieten sich fixe Management Fees und/oder performanceabhängige Modelle an.
Nur konsequent ist auch die Trennung von Vermögensverwaltung und Wertpapierhandel innerhalb der Bankorganisation oder sogar die Aufsplittung dieser Teile der Wertschöpfungskette auf verschiedene Unternehmen.
Der Glaubwürdigkeit der Vermögensverwalter zuträglich wäre sicher auch die klare Trennung der Herstellung von Finanzprodukten einerseits und deren vermögensverwalterische Verwendung andererseits in voneinander unabhängigen wirtschaftlichen Einheiten.
Mit verbesserten Reportingstandards könnte noch viel in Richtung vertrauensfördernde Transparenz der Mandatsführung gemacht werden.
Die generell feststellbare Tendenz zur Industrialisierung in der Bankenbranche wird unweigerlich eine weitere Aufgliederung der Dienstleistungskette auf spezialisierte Anbieter mit sich bringen. Sie ist primär von Effizienz- und Kostenüberlegungen getrieben. Wenn dabei aber auch Gedanken zum Themenkreis Interessenkonflikte bewusster miteinbezogen werden, liegt darin echtes Potential zur Verbesserung der Vermögensverwaltung und damit zur Wiederherstellung der Reputation vieler nach wie vor hervorragender Schweizer Banken und rechtschaffen arbeitender Bankiers.