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Im Alter ist es zu spät
für die Vorsorge

Die Beschäftigung mit der eigenen Altersvorsorge wäre gerade für Junge wichtig, doch das Wissen und das Interesse sind bei vielen gering. Die Schulen könnten hier eine Lücke schliessen, indem sie das Thema aus der Perspektive der Jugendlichen behandeln.

Im Alter ist es zu spät  für die Vorsorge
Tanja Rösch & Diego Taboada, Avenir Suisse.

 

Mit der Altersvorsorge beschäftigt man sich umso weniger gern, je weiter weg das Rentenalter liegt. Das Thema gilt als komplex und technisch – zumal für jüngere Menschen.

Paradoxerweise wären aber gerade Jüngere gut beraten, sich mit ihrer Altersvorsorge zu beschäftigen. Im Gegensatz zu unseren Nachbarländern, die über ein vollständig staatliches Rentensystem verfügen, beruht unsere Vorsorge zu einem wesentlichen Teil auf der Eigenverantwortung des einzelnen. Je früher man beginnt, sich mit der Altersvorsorge zu beschäftigen, desto besser sind die Chancen auf ein Alter ohne finanzielle Sorgen.

Junge sind interessierter, als man denkt

Viele beginnen erst im fortgeschrittenen Berufsleben, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Junge Menschen seien weniger empfänglich für Fragen zur Vorsorge, lautet das Klischee. Kann man ihnen das verübeln? Zwischen 15 und 25 Jahren hat man andere Dinge im Kopf als den Ruhestand. Das Studium, die Karriere oder erste Gedanken an Familiengründung sind wichtiger als das Pensionsalter.

Allerdings zeigen Studien, dass junge Schweizerinnen und Schweizer im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen nicht weniger in der Lage sind, finanzielle Entscheidungen zu treffen.1 Zudem gehört die Altersvorsorge laut dem Credit-Suisse-Jugendbarometer seit Jahren zu den grössten Sorgen der jungen Generation.

Wie kann man das Wissen rund um Fragen der Altersvorsorge weiter festigen? Wie in vielen Bereichen gilt auch hier: Je früher man beginnt, desto besser. Immer wieder taucht die Frage auf, ob man schon in der obligatorischen Schule (Sekundarstufe I) Lektionen zum Thema Altersvorsorge einführen sollte. Das hätte den Vorteil, dass alle für die Thematik sensibilisiert werden. Allerdings ist der Bedarf (an Bildung) unbegrenzt, während die Ressourcen – die zur Verfügung stehende Zeit – begrenzt sind. Somit unterliegt die Frage nach einem eigenen Unterrichtsangebot einer Abwägung.

Ein eigenes Fach «Vorsorge» wäre unrealistisch. Es gibt jedoch andere Möglichkeiten, um junge Menschen an unser Rentensystem heranzuführen. So könnte man die technischen Überlegungen beiseitelassen und sich auf die moralischen sowie politischen Prinzipien konzentrieren, die dem System zugrunde liegen. Solidarität und Gerechtigkeit zwischen den Generationen sowie Nachhaltigkeit stehen im Mittelpunkt des kollektiven Verständnisses der Altersvorsorge. Die moralischen Prinzipien werden auf die Probe gestellt, da die vorgeschlagenen Reformen zunehmend dazu tendieren, auf dem Rücken der Erwerbstätigen und ausschliesslich zum Vorteil der Rentnerinnen und Rentner durchgeführt zu werden.

Die Frage der Gerechtigkeit und des Gleichgewichts zwischen den Altersgruppen sollte im Unterricht behandelt werden, um das Bewusstsein der jungen Generation zu schärfen. Im Fach «Wirtschaft, Arbeit und Haushalt» auf der Sekundarstufe I werden bereits heute kritische Konzepte zu den «negativen Folgen des Konsums gesetzt, mit einem Schwerpunkt auf nachhaltiger Entwicklung». Da wäre es nur ein kleiner Schritt, die Nachhaltigkeitsfragen auf die Sozialversicherungen auszuweiten. Schliesslich ist Nachhaltigkeit ein zentraler Begriff in der Altersvorsorge – wie könnte man das Thema behandeln, ohne die Gefahr der Verletzung des Generationenvertrages und die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen zu erwähnen?

Illustration von Corina Vögele.

 «Financial Literacy» stärken

Gemäss Lehrplan 21 besteht die Rolle der obligatorischen Schulen nicht nur in der Vermittlung von Wissen, sondern insbesondere auch von Kompetenzen. Die Schule muss den Lernenden die Werkzeuge in die Hand geben, damit sie die Welt um sich herum verstehen. Die Fähigkeit, für den Ruhestand zu planen, korreliert stark mit der Finanzkompetenz («Financial Literacy») im weiteren Sinne.2

In der Schweiz ist das Niveau der Finanzkompetenz im Vergleich zu anderen OECD-Ländern eher hoch. Gemäss der Studie von Brown (2013) konnten 50 Prozent der Teilnehmenden die drei Fragen zum Verständnis der Konzepte Zinsrechnung, Inflation und Risikodiversifizierung richtig beantworten, ähnlich viele wie in Deutschland (53 Prozent) und den Niederlanden (45 Prozent). In den USA und Frankreich beantworteten nur 30 Prozent der Teilnehmenden die Fragen korrekt. Allerdings sind auch die schweizerischen 50 Prozent kein Glanzresultat, wenn man sich vor Augen führt, wie einfach die gestellten Fragen sind. Ein Beispiel:

Angenommen, Sie hätten 100 Franken auf dem Sparkonto
und der jährliche Zinssatz betrage 2 Prozent.
Wie viel Geld hätten Sie in 5 Jahren auf Ihrem Sparkonto,
wenn Sie es nicht anrührten?

a) Mehr als 102. b) Genau 102. c) Weniger als 102.

 

Finanzkompetenzen sind also auch in der Schweiz – vor allem unter weniger gut ausgebildeten Menschen – noch verbesserungsfähig. Daher ist es notwendig, in der Schule die oben genannten Begriffe wie Risikodiversifizierung, Inflation, Zinseszins sowie Schulden zu behandeln. Aber auch der Mathematikunterricht muss während der gesamten Schullaufbahn verstärkt werden, denn dieses Fach ist das Fundament, auf dem später die grundlegenden Finanzkonzepte beherrscht werden können. Wichtiger als ausufernder spezifischer Unterricht zur schweizerischen Altersvorsorge ist es also, sicherzustellen, dass die Jugendlichen die Werkzeuge zu ihrem Verständnis beherrschen.

Persönlich betroffen

Auf der Sekundarstufe II (15–19 Jahre) wird das Thema Vorsorge meistens im Rahmen des Fachs Wirtschaft und Recht zumindest kurz angesprochen. Lehrpersonen, die der Vorsorge eine Unterrichtsstunde widmen möchten, stehen aber vor der Frage: Wie kann ich über ein Thema sprechen, das meine Lernenden erst in vierzig Jahren betreffen wird? Sollten junge Menschen tatsächlich unzugänglich gegenüber Überlegungen zum Rentensystem sein, könnte es sich lohnen, darüber zu sprechen, inwiefern sie auf den ersten Blick davon betroffen sind – das heisst: sich dem Thema aus ihrer Perspektive zu nähern. An den Berufsschulen könnte man zum Beispiel die Beiträge analysieren, die auf den ersten Gehaltsabrechnungen erscheinen. Damit kann man die Finanzierung der Altersvorsorge und die Unterschiede zwischen den drei Säulen – Umlage oder Kapitaldeckung – veranschaulichen.

Auch kann es sich lohnen, die Diskussion auf andere Sozialversicherungen auszudehnen, die Jugendliche möglicherweise in Anspruch nehmen müssen. Alle verfügen über eine Krankenversicherung, aber auch der Militärdienst, der Vater- oder Mutterschaftsurlaub sind Zugänge, um Jugendliche mit den Sozialversicherungen vertraut zu machen.

Diesen Ansatz verfolgt Avenir Jeunesse mit dem Poster «Kennst du die Schweizer Sozialwerke?».3 Dieses erklärt auf sachliche und pädagogische Weise die Funktionsweise der Sozialversicherungen, indem es diese aus der Sicht eines Jugendlichen nachzeichnet. Wir stellen dieses Tool Lehrkräften kostenlos zur Verfügung und bieten Workshops an, in denen wir die Sozialversicherungen vorstellen.

Unsere Altersvorsorge beruht zu einem wesentlichen Teil auf individueller Verantwortung. Das bedeutet, dass wir aufgeklärte Individuen brauchen, die in der Lage sind, die Zusammenhänge des Rentensystems zu verstehen. Finanzielle Fähigkeiten sind zwar der Schlüssel, aber das Verständnis der politischen und moralischen Aspekte des Systems ist ebenso grundlegend. Die Schule hat in diesem Bereich eine wichtige Rolle. Die Entwicklung von Kompetenzen, die Einführung in das Thema aus der Perspektive der Jugendlichen und die Sensibilisierung für die Herausforderungen der Nachhaltigkeit könnten einen entscheidenden Beitrag zum Aufbau von Wissen leisten. Für die Jugendlichen von heute und die Erwerbstätigen von morgen.

  1. Martin Brown und Roman Graf: Financial Literacy and Retirement Planning in Switzerland. In: Numeracy, 2013, Vol. 6: Iss. 2, Artikel 6.

  2. Laut OECD beschreibt Financial Literacy die «Kombination aus ­Bewusstsein, Wissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Verhalten, die notwendig sind, um vernünftige finanzielle Entscheidungen zu ­treffen und letztlich individuelles finanzielles Wohlbefinden zu ­erreichen».

  3. http://www.avenir-suisse.ch/microsite/avenir-jeunesse-in-den-schulen-poster-schweizer-sozialwerke/

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