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Identitätspolitik im  akademischen Gewand
Ulrike Ackermann: Die neue Schweigespirale. Wie die Politisierung der Wissenschaft unsere Freiheiten einschränkt. Darmstadt: WBG, 2022.

Identitätspolitik im
akademischen Gewand

Sachbuch

 

Der Historiker Helmut Bley sollte 2021 einen Vortrag mit dem Titel «Kolonialgeschichte von Afrikanern und Afrikanerinnen her denken» mit anschliessender Diskussion in Hannover halten. Dagegen formierte sich massiver Widerstand seitens einer «Initiative für Diskriminierungssensibilität und Rassismuskritik». Sie verweigerte eine Diskussion mit Bley – emeritierter Professor für Neuere und Afrikanische Geschichte –, weil dieser als «alter weisser Mann» sich nicht «in afrikanische Verhältnisse hineindenken und einfühlen» könne. Die Stadtverwaltung sagte die Veranstaltung mit der paradoxen Begründung ab, es sei zwar wichtig, eine offene und liberale Diskussionskultur zu ermöglichen, dies müsse aber von allen Seiten gewollt sein.

Ulrike Ackermann schildert diese Episode in ihrem Buch «Die neue Schweigespirale» und zeigt daran exemplarisch, dass akademisch aufbereitete Identitätspolitik nun auch den gesellschaftlichen Diskurs untergräbt. Allein die Idee, dass nur Afrikaner über Afrika schreiben und sprechen dürfen, offenbart eine alarmierende Vorstellung von Wissenschaft. Nicht die Argumente einer Person zählen für die Vertreter dieser Idee, sondern die Herkunft.

Ackermann geht in ihrem Buch den ideengeschichtlichen Ursprüngen der Identitätspolitik nach, von Foucaults Machtverständnis über die Critical Race Theory zu den Gender Studies. Vertreter dieser Denkschulen ersetzten Objektivität durch Subjektivität und vermischten Wissenschaft mit Aktivismus. Damit wurden Jahrhunderte wissenschaftlichen Fortschritts sowie die Erfolge im Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen, ethnischen oder sexuellen Minderheiten untergraben. Strebte Martin Luther King eine Gesellschaft an, in der Hautfarbe keine Rolle mehr spielt, sind heutige Antirassisten getrieben von der Idee, dass Hautfarbe Menschen definiere. Das Ergebnis ist eine zunehmende Einengung der Debattenräume. 2021 waren gemäss einer Umfrage nur 45 Prozent der Deutschen der Meinung, man könne sich frei äussern. Dreissig Jahre zuvor waren es noch 78 Prozent gewesen. Ackermann hält dieser gefähr­lichen Entwicklung ein so fundiertes wie wortgewaltiges Plädoyer für wissenschaftliche Prinzipien entgegen.

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