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«Ich führe die Leute gerne auf Abwege»
Trudy Mueller-Bosshard. Bild: Keystone/René Ruis.

«Ich führe die Leute gerne auf Abwege»

Die Kreuzworträtsel von Trudy Müller-Bosshard sind Kult. Aus ihrer Sicht ist Knobeln nicht nur ein gutes Training fürs Gehirn, sondern auch eine Form der Kommunikation.

«Spielerisch denken, im Kopf ‹umefräse›, das ist gut fürs Gehirn», sagt Trudy Müller-Bosshard. Seit 33 Jahren bringt sie wöchentlich die Köpfe zum Rauchen. Ihr Kreuzworträtsel im «Magazin» des «Tages-Anzeigers» geniesst Kultstatus. Ganze Rätselgruppen von Leuten, die jede Woche zusammenkommen und zusammen über den Aufgaben brüten, haben sich gebildet. «Kürzlich sprach ich mit einer Frau, die nach einem Todesfall anfing, zusammen mit ihren erwachsenen Kindern jeden Sonntag das Rätsel zu lösen», erzählt Müller-Bosshard. «Das macht ihnen viel Spass und hilft ihnen, mit der Trauer umzugehen.»

Um die Ecke denken

Laut der 77-Jährigen helfen Kreuzworträtsel, geistig fit zu bleiben. Können sie auch die geistigen Fähigkeiten verbessern? «Das ist nicht meine Absicht. Aber assoziatives Denken zu üben, schadet sicher nicht. Jeder, der in sich denkt, wird dadurch etwas klüger.»

Um die Rätsel lösen zu können, brauche es zwar ein gewisses Grundwissen, aber es gehe nicht um das Abfragen von Wissen. «Ich selber habe ein durchschnittliches Allgemeinwissen.» Wichtiger sei die Fähigkeit, zu kombinieren und um die Ecke zu denken. «Ich führe die Leute gerne auf Abwege», sagt Müller-Bosshard. Sie helfe ihnen aber auch. Zum Beispiel wenn sie darauf hinweise, dass der gesuchte Begriff ein Anagramm sei, man also durch das Umstellen von Buchstaben vom einen Wort zum anderen gelangen kann.

Zu ihrer Passion kam Müller-Bosshard zufällig, als sie als Chefredaktorin des Schweizer Magazins «AHA!» arbeitete. «Ich hatte Freude an den Kreuzworträtseln in anderen Publikationen und wollte eines in unser Heft aufnehmen.» Die Rätsel, die sie in Deutschland bestellte, seien aber von «unterirdischer Qualität» gewesen. «Da dachte ich: Ich probiere es selbst.» An Kreuzworträtseln fasziniert sie das Spiel mit der Sprache, beispielsweise mit Doppeldeutigkeiten. «Man muss die Wörter genau anschauen.»

Wer löst ihre Rätsel? «Es ist ein Querschnitt durch die Bevölkerung: Vom Studenten bis zur Rentnerin ist alles dabei», sagt Müller-Bosshard. Sie erhält auch viele Rückmeldungen. «Ich vermeide es aber, mit den Leuten über einzelne Aufgaben zu reden und darüber, ob sie schwierig oder einfach waren.» Das würde sie zu sehr beeinflussen beim Erstellen des nächsten Rätsels. «Das Rätsel selbst ist meine Art, mit den Leuten zu kommunizieren.»

Reden mit Fremden

Es gibt aber auch noch eine andere Form, in der Müller-Bosshard sich mit anderen austauscht: «Als Trump 2016 gewählt wurde, beschloss ich, jeden Tag mit jemandem zu reden, den ich noch nicht kenne – als kleine Massnahme gegen den um sich greifenden Hass.» Sie geht nach draussen und nutzt Alltagssituationen, um ein Gespräch zu beginnen.

Seit sie vor acht Jahren damit begonnen habe, sei sie erst einmal abgeblitzt. «Die Leute reagieren extrem positiv. Man merkt bei vielen, dass sie lange nicht mehr etwas gefragt worden sind», erzählt Müller-Bosshard. Und auch sie selbst habe einen Nutzen. «Es fördert die Intelligenz, wenn man neugierig ist auf andere Menschen.»

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