
«Ich bin viel intelligenter
geworden durch KI»
Die Unternehmerin Dalith Steiger ist überzeugt, dass künstliche Intelligenz die menschlichen Fähigkeiten erweitern könne. Die Schweiz könnte in diesem Bereich zur globalen Spitze gehören. Dafür brauche es aber einen Kulturwandel.
Einst flog Dalith Steiger wegen ihrer schlechten Mathe-Noten vom Gymnasium. Dann löste sie, auch dank einem neuen Lehrer, den Knopf, «und plötzlich begriff ich es». Sie studierte Mathematik und gründete Swiss Cognitive, ein Strategieberatungsunternehmen für künstliche Intelligenz.
Es gebe verschiedene Formen von Intelligenz, sagt Steiger. «Ich habe eine hohe kognitive und emotionale Intelligenz. Hingegen schätze ich meine intellektuelle Intelligenz als mittelmässig ein. Ich kann etwas lesen oder hören und es superinteressant finden, habe aber Mühe, es mir zu merken und wiederzugeben. Lustigerweise vor allem Zahlen.»
Für unternehmerischen Erfolg entscheidend seien zudem zwei weitere Formen. Zum einen die emotionale Intelligenz. «Letztlich musst du Leute abholen und überzeugen können: Investoren, Kunden oder Mitarbeiter.» Zum anderen das, was sie als «Bauernschläue» bezeichnet, oder neudeutsch «street smartness». «Niemand muss studiert haben, um ein Unternehmen zu führen. Nötig sind Lebenserfahrung und gesunder Menschenverstand», sagt Steiger. Darüber hinaus brauche es aber auch Eigenschaften, die mit Intelligenz an sich nichts zu tun hätten: den Glauben an sich selber, Einsatzwille, Flexibilität und vor allem visionäres Denken.
Der Algorithmus hält uns den Spiegel vor
Als Mitgründerin von Swiss Cognitive macht sich die 53-Jährige viele Gedanken über das Verhältnis von menschlicher und künstlicher Intelligenz. Wobei sie mit letzterem Begriff nicht ganz glücklich ist. «Das Wort ‹künstlich› impliziert, dass es sich um eine Kopie von etwas Menschlichem handelt. Aber es geht nicht darum, das menschliche Gehirn zu kopieren.» Im Gegenteil: KI schaffe neue Dinge und erlaube es – richtig eingesetzt –, die menschlichen Fähigkeiten massiv zu erweitern, betont Steiger. «Ich bin viel intelligenter geworden durch KI.» Im Austausch mit dem Algorithmus könne sie viel schneller neue Ideen entwickeln. «Ich schlage zum Beispiel etwas vor und frage den Algorithmus, ob ich etwas vergessen habe.» KI könne zudem helfen, Grundsätze zu durchbrechen und ganz neue Kombinationen zu entdecken. Das berge Potenzial, zum Beispiel für die Entwicklung neuer Medikamente oder Materialien.
Gleichzeitig zwinge uns die KI, Verantwortung zu übernehmen. «Wenn die Maschine Daten von Menschen gefüttert erhält, übernimmt sie auch die Vorurteile und Verzerrungen, die in diesen Daten enthalten sind. Das gibt uns aber auch die Möglichkeit, diese Vorurteile und Verzerrungen zu erkennen und zu bekämpfen.» Etwa, wenn es um die Repräsentation von Frauen in technischen Berufen gehe. «Die KI hält uns den Spiegel vor. Sie zwingt uns, zu überlegen, was wir tun.»
Stolz statt Neid auf Erfolgreiche
Bei der Kombination von menschlicher und maschineller Intelligenz könnte die Schweiz eine globale Führungsrolle übernehmen, ist Dalith Steiger überzeugt. «Wir haben das Zeug dafür, zu einer globalen KI-Boutique zu werden.» Namentlich verfüge die Schweiz über intelligente, gut ausgebildete Menschen, eine robuste Infrastruktur, gesunden Menschenverstand und gesellschaftlichen Konsens. Das sei auch einer der Gründe, warum es hier so viele erfolgreiche KMU gebe.
Was fehle, sei die Bereitschaft, zu investieren, sagt Steiger. «Wir müssen von einer Vererbungskultur zu einer Investitionskultur kommen.» Auch diagnostiziert sie eine gewisse Hemmung, Chancen zu ergreifen und Neues auszuprobieren. «Wir müssen nicht immer der first mover sein, aber zumindest der second mover.»
Keine Hilfe für Experimentierlust sei auch die verbreitete Neidkultur. «Statt stolz auf Unternehmer zu sein, die etwas geschaffen haben, missgönnt man ihnen oft den Erfolg.»