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Hymne auf Risikoträger

Zu Nassim Nicholas Talebs Essay

Nassim Nicholas Taleb ist ein Trader, der mit eigenem Einsatz spielt. In seinem Essay liefert er für die Charakterisierung unternehmerischen Handelns ein neues Denkgerüst, das in der real existierenden Gegenwart der vergesellschafteten Wirtschaft von grosser Bedeutung ist. Der Unternehmer, so könnte man Talebs jüngste Gedanken zusammenfassen, ist jemand, der alles richtig machen und dennoch unter null gehen kann. 

Genau das meint «Skin in the Game». Der Unternehmer kann mehr als nur seinen Job verlieren: seinen Ruf, sein Geld, sein Vermögen, seine Existenz. Im Gegenzug lockt eine Skala, die nach oben offen ist. Er kann mehr gewinnen, als er sich jemals hätte träumen können. Im Falle des Erfolgs kommt der Profit immer auch anderen zugute (direkt involvierten und nichtinvolvierten Akteuren). Scheitert hingegen der Unternehmer, ist er der Hauptleidtragende des Misserfolgs. Unternehmerisches Handeln ist also durch eine eigene Symmetrie gekennzeichnet: (fast) alles verlieren und (fast) alles gewinnen.

Am Anfang des Unternehmerdaseins – und hier spreche ich auch aus eigener Erfahrung als Verleger dieser Zeitschrift – steht für gewöhnlich nicht der Verzicht (und das Sparen), sondern die Schuld, genauer: die Verschuldung. Der Unternehmer bürgt mit dem, was er hat und was er ist, für jene Ertragsströme, die er erst noch generieren muss. Durch den Kredit erhält er neue Kaufkraft, um seine Pläne in die Wirklichkeit umzusetzen. Dies tut er nicht durch Befehl – wie in der Kommandowirtschaft –, sondern durch kaufkraftunterlegte Überzeugung. Es war Joseph Schumpeter, der in seinem für mich bis heute unübertroffenen Frühwerk «Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung» (1912) diesen Punkt besonders hervorhob: «Der Unternehmer ist der einzige typische Schuldner in der Volkswirtschaft.» Erst nachdem er Schuldner geworden ist und seine Existenz aufs Spiel gesetzt hat, kann er zum «Revolutionär der Wirtschaft» werden, der den Konsumenten in die Hände arbeitet – auf eigenes Risiko.

Den Unternehmern gegenüber stehen all jene, die das eigene Risiko auf andere abwälzen und die mögliche Rendite für sich beanspruchen. Sie haben nach Taleb viele Namen: leitende Angestellte, Prognostiker, Schwätzer, Selbstdarsteller. Je intransparenter die Welt, desto grösser ihre Gewinnchancen.

Die Unternehmer indes bedürfen einer halbwegs intakten Umgebung, damit sie Wagnisse eingehen, für die sie selbst geradestehen müssen, und sich verschulden – Risiko ohne Aussicht auf Erfolg ist auch für notorische Optimisten keine Option. Sie bleiben mithin auf Publizisten und Interpreten angewiesen, die wenigstens eine Ahnung von unternehmerischem Handeln haben. Der «Monat» will ein Magazin sein, das hierzu Aufklärungsarbeit leistet. Selbstverständlich auf eigenes Risiko.

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