Hilfe, ein Skeptiker!
Medienkritik I Der Klimawandel ist menschengemacht. Wer dem widerspricht, ist von der Fossilwirtschaft gekauft. Dies verkünden Klimaforscher. Und die meisten Medienleute. Damit ruinieren sie ihren Ruf. Vielleicht sogar nachhaltig.
Freundlicher als der deutsche Wissenssoziologe Gerhard Schulze treten wenige Wissenschafter auf. Aber er mutet seinem Publikum auch Unangenehmes zu, so als er vergangenen November in Zürich einen Vortrag beim Schweizerischen Institut für Auslandforschung hielt. «Die Uni sollte ein Ort der wechselseitigen Irritation sein», begann der Bamberger Professor sein Referat, das wegen Studentenprotesten nicht in der Aula stattfinden konnte. Denn die Wissenschafter hätten es zum Prinzip erhoben, «sich gegenseitig in die Pfanne zu hauen».
Der Erkenntnisfortschritt beruht – frei nach Karl Popper – nicht auf der Bestätigung von Wahrheiten, sondern auf der Widerlegung von Annahmen. Das gilt aber offensichtlich nicht für die Klimaforschung, wie sie die Wissenschafter des Uno-Klimarats IPCC betreiben. Sie steht – so Schulze – «für den völligen Zusammenbruch der organisierten Skepsis».
In der Tat. «The science is settled», behaupten die IPCC-Wissenschafter nach ihren bisher vier umfangreichen Berichten.* Sie erwecken den Eindruck, dass es nur noch darum gehe, die «Klimawahrheit» zu verbreiten, damit die Politiker die Welt vor der Katastrophe retten könnten. Wie auch immer sich das Klima in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird – die Klimaforscher drohen damit dem Ruf der Wissenschaft nachhaltigen Schaden zuzufügen. Die Medienleute aber freuen sich darüber, dass die meisten Wissenschafter ihre Zurückhaltung abgelegt haben.
So berichteten Schweizer Medien im Vorfeld der Kopenhagener Klimakonferenz ohne jede kritische Nachfrage über die «Klimaveranstaltung» der ETH Zürich, an der alle beteiligten Wissenschafter eine Beschränkung der Klimaerwärmung auf 2 Grad forderten. Der beliebteste Interviewpartner war ETH-Professor und Co-Friedensnobelpreisträger Andreas Fischlin, der ankündete, schon bei einem Temperaturanstieg von 1,8 Grad sterbe der Eisbär aus (der zuletzt im Hochmittelalter, als die Wikinger nach Grönland fuhren und es «grünes Land» nannten, in der weitgehend eisfreien Arktis bestens überlebte).
Angebliche Erkenntnisse der Klimawissenschaft werden zu Glaubenssätzen, die die Zeitungen in Form eines Katechismus verbreiten. So zum Beispiel der «Tages-Anzeiger»: «Warum wissen Klimaforscher, dass der Mensch hauptverantwortlich ist für die globale Erwärmung? Die globale Temperatur ist in den letzten 25 Jahren um durchschnittlich 0,19 Grad pro 10 Jahre angestiegen. Das ist keine Laune der Natur.» Denn zur «wärmsten Periode auf der Nordhemisphäre in den letzten 1300 Jahren» führte gemäss IPCC der menschengemachte Ausstoss von CO2 seit der Industriellen Revolution, der den natürlichen Treibhauseffekt – ohne den die Erde unbewohnbar, weil 34 Grad kälter wäre – um 2 Prozent verstärkt.
Zu jener Zeit, als Gerhard Schulze die «organisierte Skepsis» in der Wissenschaft anmahnte, tauchten in Blogs im Internet Abertausende von E-Mails auf, die aus der führenden Climate Research Unit (CRU) der University of East Anglia stammten – ob von einem verbrecherischen Hacker gestohlen oder von einem gewissensgeplagten whistleblower verbreitet, ist bis heute nicht klar. Und schnell erkannten Fachleute – und später auch einige wenige Journalisten zumindest im angelsächsischen Raum – die Bedeutung dieses Wissenschaftsskandals. Ob es sich tatsächlich um ein «Climategate» handelt oder nicht, die journalistische Neugierde (wenn nicht schon die professionelle Skepsis) würde es gebieten, sich mit dem Ding zu befassen.** Aber wer in der Schweiz oder Deutschland hat davon gehört?
Seit Jahren klagen renommierte Wissenschafter wie Nils-Axel Mörner, Präsident der internationalen Kommission zur Meeresspiegelveränderung bis zu ihrer Auflösung 2003 (!), dass ihre vom IPCC abweichenden Meinungen nicht zur Kenntnis genommen würden. Und andere schildern, mit welchen Mitteln, von statistischen Manipulationen bis zu veritablem Mobbing, der IPCC seine «Wahrheit» durchzusetzen versucht. So beschreibt der amerikanische Jurist Christopher C. Horner in seinem Buch «Red Hot Lies» (2008), wie das rund 60-köpfige, mit PR-Leuten verstärkte Kernteam des IPCC die Leitfäden für die Politiker jeweils Monate vor seinen tatsächlichen Berichten herausgab und diese dann den politischen Vorgaben anpasste – nachdem sie angeblich von Tausenden von Wissenschaftern Satz für Satz abgesegnet worden seien. Und der ehemalige Professor für Umweltwissenschaften und Staatsmeteorologe von Virginia, Patrick J. Michaels, erzählt in seinem Buch «Climate of Extremes» (2008), wie er selbst wegen seiner nichtkonformen Ansichten rausgemobbt worden war. Als Motto für das Buch wählte er einen Satz, den CRU-Chef Phil Jones einem Kollegen schrieb, der seine Daten überprüfen wollte: «Wir haben 25 Jahre oder so in diese Arbeit investiert. Warum sollte ich dir die Daten geben, wenn du darin nur Fehler finden willst?»
Das Klimainstitut der University of East Anglia lieferte die eine von weltweit lediglich zwei Datenreihen von Messstationen, mit denen der IPCC den Temperaturanstieg seit dem 19. Jahrhundert beweist. In den E-Mails zeigt sich, wie Phil Jones die Herausgabe der Daten zur kritischen Überprüfung verweigerte und sogar den Freedom of Information Act unterlief, der vom Staat bezahlte Forscher unter Strafandrohung zwingt, sämtliche Informationen offenzulegen. Inzwischen musste Jones eingestehen, die Rohdaten seiner Studien vernichtet zu haben, auf denen die IPCC-Berichte beruhen.
Und bereits meldeten Klimaforscher aus Australien und Russland, dass in den Daten ihrer Länder kein Temperatur-anstieg zu erkennen sei.*** Dazu geriet ein zweiter für den IPCC höchst bedeutender Forscher ins Zwielicht. Michael Mann von der Pennsylvania State University bewies mit seinem auf Computermodellen beruhenden «Hockeystick», der 2001 den Titel des dritten IPCC-Berichts zierte, dass es in den letzten zwei Jahrtausenden nie wärmer gewesen sei als heute – womit er Hunderten von Studien widerspricht, die von einer Warmperiode im Hochmittelalter zeugen. In den E-Mails der IPCC-Wissenschafter lässt sich nachweisen, dank welchen Manipulationen der Computer die gewünschte Grafik ausspuckte.
Das Schweizer Fernsehen erwähnte diese Vorfälle nie. Die NZZ verlachte die Affäre als «Sturm im Wasserglas» und als einen weiteren der «ständigen Nadelstiche der Klimaleugner». Und die «NZZ am Sonntag» liess Bundesrat Moritz Leuenberger, in der letzten Frage eines langen Interviews, «Climategate» als «inszenierte Intrige» abtun. So erschien auch noch in keinem der Schweizer Medien, was der renommierte deutsche Klimaforscher Hans von Storch im «Wall Street Journal» vom 22. Dezember 2009 zu bedenken gab: «Die Wissenschaft ist eine wertvolle, einzigartige gesellschaftliche Institution – aber nicht, wenn sie kurzsichtigen politischen Zielen dienen muss.»
* Dass es nicht so ist, belegte MIT-Professor Richard S. Lindzen kürzlich im Wall Street Journal: „The Climate Science Isn’t Settled“, WSJ vom 30.11.2009.
** Die beste und unterhaltsamste Übersicht über den Skandal bieten die Referate und Talkshows von Lord Christopher Monckton, die auf Youtube zu finden sind, sowie seine auf dem Web greifbare Dokumentation «Climategate: Caught Green-Handed».
*** Die Chronik der laufenden Ereignisse führt der amerikanische Meteorologe Anthony Watts auf seiner Website wattsupwiththat.com.
Markus Schär, geboren 1956, ist Journalist und externer Projektpartner von Avenir Suisse. Er hat als Historiker mit einer Arbeit zu den mentalen Folgen der kleinen Eiszeit im alten Zürich promoviert.