Hier liegt der Islam auf der Couch
Sama Maani: Žižek in Teheran.
Auf den Wiener Psychoanalytiker und Schriftsteller Sama Maani ist Verlass, wenn es um unerschrockene wie gelassene Einschätzungen der politischen Gegenwart geht. Seine Streitschrift «Respektverweigerung» (2015) entgegnete dem kulturrelativistischen Lager der westlichen Linken, dass «Kulturen» nichts sind, das vor Kritik geschont werden müsste. «Warum wir Linke nicht über den Islam reden können» (2019) erläuterte, dass ein antirassistisches Missverständnis dafür gesorgt hat, dass eine einstmals religionskritische Grundüberzeugung identitärem Artenschutz geopfert wurde. Und sein Roman «Ungläubig» (2014) wiederum zeigte, wie diese und anverwandte Themen mit den Mitteln der Fiktion durchgearbeitet werden können.
Nun hat Maani erneut Belletristik vorgelegt. «Žižek in Teheran» heisst sein 600 Seiten langes modernes Versepos, das trotz der prominenten Referenz im Titel nicht das ist, wonach es zunächst tönt. Vielmehr kreist der Roman um einen mysteriösen Witz, der in einem sittenstrengen Regime namens «Islamische Republik Teheran» zirkuliert, wo er bei denjenigen, die ihn hören, vor lauter Lachen zum Tod führt. Ausgehend von der Couch eines Psychoanalytikers, auf der sich zunächst ein Gefängnisarzt ausspricht, führen die Pfade der Handlung in zahlreiche Richtungen – unter anderem in ein Internat, in dem islamische Mädchen ihre Erinnerungen tilgen lassen können, und bisweilen auch zum direkt adressierten Leser selbst. Maanis psychoanalytische Kompetenz durchzieht dabei jede Seite: Der Witz, der hier tödliche Effekte zeitigt, verweist bekanntlich auf Lusterleben, Versprecher bringen Verdrängtes und Verheimlichtes ans Tageslicht, während Verbote und Sittenkomplexe von abgespaltenem Verlangen zeugen. Projektionen und Erektionen liegen hier deshalb nah beieinander, woraus dann auch die Schlüsse über das besagte Regime zu ziehen sind.
Maani ist zugutezuhalten, dass er sich in Zeiten serieller Minderheiten-Etiketten, die in literarischen Arbeiten im Dienste einer plakativen Politisierung appliziert werden, gekonnt über identitätspolitische Konzessionen mokiert – so etwa in Form eines «kulturkritischen Literaturwettbewerbs», der in heiterer Bezugnahme den Namen «Unbehagen zwischen den Kulturen» trägt und bei dem ein «grottenschlechter, jedoch politisch grottenkorrekter Text» den ersten Preis einfährt, weil der eigentliche Favorit unliebsames Vokabular aufweist. Bei vielen minoritären Gegenwartsautorinnen und -autoren ist zu beobachten, dass sie sowohl ihre Figuren wie auch den Plot und die Sprache in berechenbaren Bahnen halten, was vor allem als Selbstvermarktungstrick für den Kulturbetrieb zu verstehen ist, der identitären Realismus aktuell schwer honoriert und Missliebiges abstraft. In Maanis Roman hingegen wird solche Vorhersehbarkeit sabotiert, weil Erwartungshaltungen schlichtweg nicht befriedigt werden: «Erkläre nichts. In der Literatur sollte ein Anstoss genügen», heisst es an einer Stelle. Genau dies eingelöst zu haben, macht «Žižek in Teheran» ganz im Wortsinn zu einem Heidenspass, der mit Freud(e) zu lesen ist.
Sama Maani: Žižek in Teheran. Klagenfurt: Drava, 2021.