Held des Scheiterns
Der lebensuntaugliche Anatol Fern.
Das Leben meint es nicht gerade gut mit Anatol Fern. Aber auch nicht wirklich schlecht. Denn wie der Romantitel schon vermuten lässt, ist der Protagonist des Romans alles andere als erfolgreich und gehört eindeutig zur Gattung «Antiheld». Dieser Typus scheint es dem Autor besonders angetan zu haben, war doch auch schon Alfred von Ärmel aus Linders Debütroman «Der Letzte meiner Art» ein solches Exemplar. Beide sind auf eine humorvolle und ironische Weise lebensuntauglich und glänzen vor allem in einem: im Scheitern.
Anatol Fern ist Schriftsteller bei einem Kleinstverlag, der «für Freunde absonderlicher Unterhaltung» schreibt; sein erstes und seither einziges Werk heisst passend «Graues Brot», das in den Buchhandlungen stets bei den Kochbüchern eingeordnet wird. Umso ärgerlicher, da sein bester Freund und Rivale Max einen vieldiskutierten Bestseller geschrieben hat, der bis auf einen einzigen Verriss – der jedoch aus der gehässigen Feder von Anatol stammt – in den Himmel gelobt wird.
Tagsüber arbeitet Anatol in einem Altersheim als Allrounder: Zu seinen Aufgaben gehören Spaziergänge, kleine Besorgungen, Bingospielen und hauptsächlich die «Versprühung von guter Laune, Energie und tausendprozentigem Optimismus». Dort lernt er auch Herrn Gustav Gustav kennen, einen ehemaligen Biologen, der ihn dazu überredet, an seiner Stelle an eine Pilzkonferenz nach Lodz zu fahren, um seine Erkenntnisse zum «Facebook der Pilze» vorzutragen. Und da es mit dem Atelierstipendium in New York doch nicht klappt, derweil Anatol seine Wohnung schon frühzeitig anderweitig vergeben hat, bleibt ihm nichts anderes übrig, als nach Lodz zu fahren: «Zugegeben. Es war nicht das, wovon Anatol geträumt hatte. Er hatte nach New York gewollt. Nun ging er nach Lodz. Er hatte schreiben wollen. Nun hielt er einen Vortrag über Pilze. Aber war es nicht immer so? Die Wirklichkeit war das, was man anstelle seiner Träume lebte.»
Anatols unerträgliche Passivität ist auch der Grund, warum es in der Liebe nicht so richtig klappen will. Seine Flamme Bernadette versucht er nach dem Motto «Erst mal abwarten» zu erobern, denn: «…schliesslich war nichts erotischer als Stillstand. Nichts sinnlicher als ein Mann, der sich so richtig seinem Phlegma hingab. Stehend, sitzend oder liegend. Oder warum nicht gleich tot?»
Anatols Antiheldentum ist nicht nur logische Konsequenz seiner fehlenden Handlungsfähigkeit, sondern auch eine äusserst amüsante Lektüre. Und vielleicht auch ein Trost für all jene, die sich in ähnlich prekären Verhältnissen ihrer Kunst hingeben.
Lukas Linder: Der Unvollendete. Zürich: Kein & Aber, 2020.