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«Hat man ein cooles Team, weiss man sehr genau, wieso man die Dinge macht, die man macht»
Als Unternehmerin muss man sich bemühen, um in die Aufgaben hineinzuwachsen, sagt Léa Miggiano. Dafür wird man mit Freiheit belohnt. Der Spass ist es, die Entwicklung der Firma voranzutreiben und zu beobachten.
Das vollständige Interview ist auch als Video verfügbar.
Léa, mit 23 hast du 2018 die Firma Carvolution mitgegründet. Sechs Jahre später tauchst du schon in der «Bilanz»-Liste der 100 jüngsten Reichsten der Schweiz auf. Hat dich das überrascht?
Nein, aber ich habe mir sehr vieles nicht vorgestellt, muss ich sagen (lacht).
Wie wurde denn Carvolution gegründet?
Relativ zügig. Schon während des Studiums war ich in verschiedenen Start-ups unterwegs. Als ich mit Studieren fertig war, versuchte ich, mir ein Auto zuzulegen. Ich wollte einen Kuhhandel machen mit meinem Vater, dass ich ein Auto von ihm verkaufe und die Differenz behalten darf. Dann aber verlor ich sehr viel Zeit damit, dieses Auto zu verkaufen. Zugleich erzählte mir einer meiner Mentoren vom Konzept Auto-Abo aus den USA und fragte mich, ob es nicht auch meine Probleme lösen würde. Da dachte ich: Doch, das würde alle meine Probleme lösen. Das braucht die Schweiz!
Hast du dir schon immer vorgestellt, Unternehmerin zu werden?
Überhaupt nicht. Der nächste logische Schritt wäre das Masterstudium gewesen. Aber in diesem Moment schien mir die Unternehmensgründung ebenso spannend. Ich habe dann nicht lange evaluiert oder überlegt, sondern mitgemacht.
Bereut man es auch zwischendurch mal, Unternehmerin geworden zu sein? Es ist ja doch sehr anstrengend.
Als all meine Kolleginnen und Kollegen von der Uni ihren Master abschlossen, hatte ich so meinen «Fear of missing out»-Moment: Ich hatte halt nicht den klassischen Karriereweg eingeschlagen. Aber dann erinnerte ich mich bald wieder an die Freiheiten, die ich habe als Unternehmerin, dass ich wirklich was in die Hände nehmen und sagen kann: «Das machen wir als Nächstes.» Man sieht dann, wie es vorangeht, und das gibt einem auch wahnsinnig viel. Ich weiss gar nicht, was anstrengend oder nicht anstrengend ist – ich kenne ja nur, was ich mache. Für mich passt es, mir macht es Spass.
Hattest du Vorbilder als Unternehmerin?
Ich habe bei vielen Leuten in meinem Umfeld einzelne Dinge abgeschaut. Zur Inspiration sind Vorbilder wichtig, aber man sollte dann doch seinen eigenen Weg finden und das mit seiner eigenen Persönlichkeit durchziehen.
Bietet die Schweiz ein gutes Umfeld, um Unternehmerin zu werden?
Ich habe Carvolution aus einer enorm privilegierten Situation heraus gegründet, das geht ja nicht allen so. Hätte ich gar kein Geld mehr gehabt, hätte ich jederzeit zu Hause anrufen und fragen können: «Hey, kann ich wieder in mein Zimmer?» Grundsätzlich haben wir hier in der Schweiz Zugang zu guter Bildung und zu finanziellen Mitteln. In den letzten Jahren ist es ein bisschen schwieriger geworden für junge Unternehmen, Geld aufzunehmen, aber insgesamt haben wir eine funktionierende Wirtschaft, in der Innovation als etwas Wünschenswertes angesehen wird. Das ist der richtige Nährboden.
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Das Auto-Abo ist eine Alternative zum Autokauf und Leasing. Was macht für dich den Reiz aus?
Es ist so bequem, man zahlt nur monatlich seine Rechnung. Dafür hat man ein super Auto und man kann sich selber aussuchen, für wie lange man dieses will – um alles andere muss man sich nicht kümmern. Unseren Profit machen wir über Mengengerüste: Der Privatkunde oder die Privatkundin kauft sich ein Auto – wir kaufen von einem Modell 150. So können wir unseren Kunden einen attraktiven Preis anbieten.
Das ist sehr kapitalintensiv.
Ja, deshalb habe ich grossen Respekt vor unserem Finanzchef. Wir hatten Investoren, die uns ermöglichten, die ersten Autos zu kaufen. Dann bauten wir mit Hilfe von Finanzpartnern eigene Konstrukte für die Finanzierung der Autos auf. Das sind immer sehr lange Gespräche. Man muss seine Zahlen sehr ordentlich aufbereiten, damit man Leute findet, die diese Fahrzeuge finanzieren.
Was ist das beliebteste Auto eurer Flotte?
Das ändert immer wieder, es ist eine dynamische Flotte. Im Moment ist der Opel Corsa sehr beliebt: ein Kleinwagen mit sehr gutem Preis-Leistungs-Angebot. Aber auch die sogenannten Mini-SUV laufen derzeit sehr gut.
Was ist dein Lieblingsauto?
Ich bin schon lange über den Punkt hinweg, wo ich ein Lieblingsauto habe. Ich wechsle die Autos gerne, dann kenne ich auch unsere Produkte. Nach einer Woche ist für mich das Auto auch einfach wieder ein Auto, dann habe ich alle lustigen Knöpfe gedrückt.
«Ich wechsle die Autos gerne, dann kenne ich auch unsere Produkte.»
Für lange Zeit bestand eine starke Identifikation mit der Marke. Man hat sich ein eigenes Auto gekauft und ist diesem jahrelang treu geblieben, hat auch das Nachfolgemodell bestellt. Gibt es die Treue bei der Autowahl nicht mehr?
Doch, die gibt es nach wie vor, auch bei uns besteht eine gewisse Markenloyalität. Marken haben ja weiterhin ihr Image, es ist eine Lifestyle-Wahl: Fahre ich mehr Ford oder mehr Fiat 500, oder bin ich mehr ein Mini-Typ? Wir konzentrieren uns stark auf die beliebtesten Modelle.
Führt ihr auch Teslas?
Momentan haben wir einen Tesla Model Y.
Chinesische Autos?
Stand jetzt noch nicht, aber es sind Gespräche im Gang.
Wie stehst du den selbstfahrenden Autos gegenüber?
Ich bin ein absoluter Fan. Ich glaube, wir müssen geduldig sein, denn wir werden uns umgewöhnen müssen. Ein paar Fragezeichen gibt es weiterhin: Haben wir die richtigen Verkehrszeichen und Strassenmarkierungen? Wie soll ein Auto auf Hindernisse reagieren? Und: Wer haftet für was in welchem Fall?
Wie lange stehst du im Stau in der Woche?
Ich stehe eigentlich nie im Stau. Ich bin entweder ganz früh morgens oder ganz spät abends unterwegs, und das hat wieder mit dem Unternehmerinnenleben zu tun.
Wie hat dich das Unternehmertum verändert? Bist du stärker zur Kapitalistin geworden? Liberaler geworden?
Vom Elternhaus her bin ich sehr liberal geprägt. Mit dem Wirtschaftsstudium habe ich dann auch einen etwas anderen Blick erhalten: Man schaut das Land ein bisschen wie ein Unternehmen an, mit einem Verständnis für Ausgaben und Einnahmen. Politisch in eine Partei einordnen kann man mich eher nicht; ich versuche vielmehr, zu jedem Thema eine fundierte Meinung zu entwickeln. Grundsätzlich ist mein Interesse an Politik aber gestiegen.
Hast du den Unternehmergeist aus dem Elternhaus mit auf den Weg erhalten? Oder hat er sich aufgebaut über die Jahre, seit du als Unternehmerin tätig bist?
Aus dem Elternhaus habe ich Selbstbewusstsein mitgenommen, ein Vertrauen in meine Fähigkeit, Dinge zu machen. Und ich habe erkannt, dass ich mich bemühen muss, um in diese neuen Aufgaben hineinzuwachsen – was typisch ist für Unternehmertum. Es verändert sich so schnell, also muss man sich damit mitbewegen wollen. Man begibt sich so auf eine spannende Reise!
Gibt es nicht auch viele Junge, die sagen: «Work-Life-Balance ist mir wichtiger», statt die Verantwortung als Unternehmer zu tragen und so früh aufzustehen?
Mir ist meine Work-Life-Balance auch wichtig. Doch wenn man etwas gerne macht, dann sagt man nicht einfach nach 8 oder 8,5 Stunden «Ciao zäme». Man verliert sich auch in den Aufgaben. Und ich habe ja einen gewissen Einfluss darauf, mit wem ich arbeite. Wenn man ein cooles Team hat, dann weiss man sehr genau, wieso man die Dinge macht, die man macht.
Wenn man als Unternehmer unterwegs ist, hat man unglaublich viele Entscheidungsmöglichkeiten, um etwas umzusetzen. Ich glaube, das unterschätzen viele, die noch nie unternehmerisch tätig waren.
Ich kann es nur empfehlen, es macht wirklich Spass. Natürlich frustriert es auch, denn es gelingt nie immer alles. Aber der Entwicklung zuzusehen, macht mir so viel Freude, dass ich das einfach jeden Tag mache.