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Hangar

Alte Leute haben mich immer schon fasziniert. Sie können einem Geschichten vom und über das Leben erzählen. Die Begegnung mit einem etwa siebzigjährigen Mann auf meiner Amerikareise wird mir ewig in besonderer Erinnerung bleiben. Sein Name war George. Er trug eine Baskenmütze auf dem Kopf und eine Brille mit dicken Gläsern im Gesicht. Die Tatsache, […]

Alte Leute haben mich immer schon fasziniert. Sie können einem Geschichten vom und über das Leben erzählen. Die Begegnung mit einem etwa siebzigjährigen Mann auf meiner Amerikareise wird mir ewig in besonderer Erinnerung bleiben.

Sein Name war George. Er trug eine Baskenmütze auf dem Kopf und eine Brille mit dicken Gläsern im Gesicht. Die Tatsache, dass George einen Gehstock brauchte, überraschte mich nicht. Und die dicke Weste trug er, weil die Hangars zur Konservierung der Flugzeuge abgekühlt waren. Er interessiere sich für Flugzeuge. Was gibt es Besseres für ein Fliegermuseum als Angestellte im Haus, die sich ihr Leben lang mit den Ausstellungsobjekten beschäftigt haben? George wusste alles über Flugzeuge. Und über Raketen. Ich sog jedes Wort seiner langsamen und klugen Sprache auf. Meine Blicke pendelten von den Flugzeugen zu George und wieder zurück. Mich wunderte, wie viel dieser Mann gelesen und geforscht haben musste, um sich ein so breites Wissen nicht nur über den Bau, sondern auch über die Geschichte der Ausstellungsobjekte anzueignen.

Interessant wurde es im letzten von fünf Hangars, wo die Flugzeuge und Flugzeugträger aus dem Vietnamkrieg ihr Dasein als Museumsinventar fristeten. Dort blieben wir am längsten stehen, denn George sprudelte heraus mit Listen von Namen und Daten, die bis anhin irgendwo in seinem Kopf geruht hatten. In einem fesselnden Vortrag zeichnete der alte Mann Bilder von den Schauplätzen des Mordens und die Masken der Mörder. Die Flugzeuge im Hangar Nummer fünf kamen in Bewegung. Ihre Propeller drehten sich wieder, der Wind blies aus den Triebwerken, und aus den Cockpits blitzten die aufgeregten Blicke der Piloten. Am Schluss stützte sich George erschöpft auf seinen Gehstock und schaute zu, als der Krieg wieder verschwand. Dann Ruhe: die Flugzeuge und Flugzeugträger standen still. Wir verliessen den Hangar. Beim Gehen bemerkte ich die Prothese an Georges Bein. Draussen zog er dann die Weste aus. An seinem Hemd hing das Namensschild: George D. – Kriegsveteran.

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