Handys raus aus der Schule!
Jonathan Haidt, fotografiert von Jayne Riew.

Handys raus aus der Schule!

Smartphones beeinträchtigen die Aufmerksamkeit, das Lernen und die sozialen Beziehungen. Wir müssen sie aus den Klassenzimmern verbannen.

Im Mai 2019 wurde ich eingeladen, an meiner alten High School in Scarsdale, New York, einen Vortrag zu halten. Vor diesem traf ich mich mit dem Schulleiter und seinen wichtigsten Verwaltungsmitarbeitern. Ich erfuhr, dass die Schule – wie die meisten High Schools in Amerika – mit einem starken Anstieg psychischer Erkrankungen unter ihren Schülern zu kämpfen hatte. Die Hauptdiagnosen waren Depressionen und Angststörungen, einschliesslich einer zunehmenden Zahl von Selbstverletzungen; Mädchen waren besonders gefährdet. Mir wurde gesagt, dass die psychischen Probleme bereits bei der Ankunft der Schüler in der neunten Klasse vorhanden wären. Als sie aus der Mittelschule kamen, waren viele Schüler bereits ängstlich und depressiv. Viele waren auch schon nach ihren Handys süchtig.

Zehn Monate später wurde ich eingeladen, an der Scarsdale Middle School einen Vortrag zu halten. Auch dort hörte ich das Gleiche: Die Probleme mit der psychischen Gesundheit hatten sich in letzter Zeit stark verschlimmert. Schon als die Schüler aus der Grundschule in die sechste Klasse kamen, waren viele von ihnen ängstlich und depressiv. Und viele waren bereits süchtig nach ihren Handys.

Für die Lehrer und Verwaltungsangestellten, mit denen ich sprach, war dies kein Zufall. Sie sahen eindeutige Zusammenhänge zwischen der zunehmenden Handysucht und der schwindenden psychischen Gesundheit, ganz zu schweigen von sinkenden schulischen Leistungen. Ein gemeinsames Thema in meinen Gesprächen mit ihnen war: Wir alle hassen Handys. Es war ein ständiger Kampf, die Schüler während des Unterrichts vom Handy fernzuhalten. Die Aufmerksamkeit der Schüler zu erlangen, war noch schwieriger, weil sie permanent abgelenkt und von Natur aus ablenkbar schienen. Dramen, Konflikte, Mobbing und Skandale spielten sich während des Schultages ständig auf Plattformen ab, auf die das Personal keinen Zugriff hatte. Ich fragte, warum sie die Handys während der Schulzeit nicht einfach verbieten konnten. Sie sagten, zu viele Eltern wären verärgert, wenn sie ihre Kinder während des Schultages nicht erreichen könnten.

Seit 2019 hat sich viel verändert. Die Argumente für handyfreie Schulen sind jetzt viel stärker. Wie Zach Rausch und ich dokumentiert haben, haben sich die Beweise für eine internationale Epidemie psychischer Erkrankungen, die um 2012 begann, vermehrt.1 Ebenso wie Beweise dafür, dass diese Erkrankungen zum Teil durch die sozialen Netzwerke und den plötzlichen Umstieg auf Smartphones in den frühen 2010er-Jahren verursacht wurden. Viele Eltern erkennen jetzt die Abhängigkeit und Ablenkung, die diese Geräte bei ihren eigenen Kindern verursachen; die meisten von uns haben erschütternde Geschichten über selbst­destruktives Verhalten oder gar Selbstmordversuche bei den Kindern unserer Freunde gehört. Kürzlich hat der Sanitätsinspektor der Vereinigten Staaten eine Warnung ­herausgegeben, dass Social Media «ein tiefgreifendes Risiko für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen darstellen können».

Wir haben nun auch mehr Präzedenzfälle: viele weitere Beispiele von Schulen, die während des Schultages völlig telefonfrei geworden sind. Für Eltern und Pädagogen ist nun die Zeit gekommen, sich zu fragen: Sollten wir den Schultag handyfrei machen? Würde dies die Zahl der Depressionen, Ängste und Selbstverletzungen verringern? Würden sich dadurch die Bildungsergebnisse verbessern? Ich glaube, dass die Antwort auf all diese Fragen «Ja» lautet.

Was Handys Kindern in der Schule antun

Denken Sie einmal darüber nach, wie schwer es für Sie ist, bei der Arbeit am Computer bei der Sache zu bleiben und einen Gedankengang aufrechtzuerhalten. E-Mails, SMS und Benachrichtigungen aller Art bieten Ihnen ständig die Möglichkeit, etwas zu tun, das einfacher ist und mehr Spass macht als das, was Sie gerade tun. Wenn Sie älter als 25 Jahre alt sind, haben Sie einen voll ausgereiften Frontalkortex, der Ihnen hilft, Versuchungen zu widerstehen und sich zu konzentrieren, und dennoch haben Sie wahrscheinlich immer noch Schwierigkeiten, dies zu tun. Stellen Sie sich nun ein Telefon in der…