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H!

Felix Kauf & Michel Mettler: «H stellt sich vor». Zürich: Echtzeit, 2010.

Michel Mettler, bekannt geworden durch seinen Roman «Die Spange», hatte im Dramatiker Felix Kauf schon lange einen Schriftsteller gefunden, mit dem er literarisch korrespondiert. Die Freundschaft zwischen den beiden nahm in der Mitte der Neunzigerjahre ihren Anfang, als sie einander Texte faxten, die der Empfänger weiterführte und anschliessend retournierte. Aus den Faxschreiben wurden später E-Mails, mit ihrer Zahl wuchs sich das gemeinsame Manuskript zu einem Buch aus: «H stellt sich vor».

Es mag in der Natur des brieflichen Hin-und-Hers liegen, dass «H stellt sich vor» eine Sammlung abgeschlossener Geschichten darstellt, die sich um eine einzelne Person drehen. Denn zum einen ist der Fortgang einer Geschichte wohl öfter dem augenblicklichen Impuls – besser: der Lust geschuldet, zu fabulieren. Zum andern scheint sich als dessen Angelpunkt etwas Monothematisches anzubieten, das sich gut variieren lässt, etwa eine Figur wie H, deren aberwitzige Abenteuer in kurzen Episoden geschildert werden.

Doch wer ist H? «H hat entdeckt, dass er mit seinen Augenbewegungen das Verhalten der Tiere im Zoo beeinflussen kann», heisst es einmal. H sei Poet, Handballer, Maler, Musiker, Weltreisender, Architekt, Bauführer, Archivar, ein Prominenter ohnehin. Er stellt sich den andern als das vor, als was er sich selbst imaginiert; er ist ein Mystiker, ein Geheimniskrämer, ein Wichtigtuer, in einem Wort: ein auf Wirkung bedachter Egozentriker. Sein Rat an die Mitmenschen lautet ganz uneigennützig: «Tu, was du tun musst, aber tu es, ohne berühmt zu werden.»

Kauf und Mettler liefern ihre Figur ohne weiteres aus. Dieser satirische Ansatz erweist sich als tragend, die Geschichten um H sind sehr oft sehr komisch. Sie ergeben in der Summe ein Bild von einer Person, die in ihrem privaten Grössenwahn gefangen ist und es versteht, diesen als umfassende Kompetenz in allen Lebenslagen darzustellen. «‹Eigentlich möchte ich nicht tauschen›, ist Hs häufigster Gedanke. Er hat sehr lange gebraucht, um herauszufinden, dass er haargenau er selbst sein will, nichts und niemand sonst.»

So wie Tom Sawyer das Zaunanstreichen zu einer Ehre hochstilisiert, um das Zaunanstreichen für seine Freunde begehrenswert zu machen und nicht selber den Zaun streichen zu müssen, so stellt sich H in den Mittelpunkt seiner imaginierten Welt, die er als einzig reale versteht. Mit der Figur H beschreiben Kauf und Mettler humoristisch auch die Schweiz, in der sie lebt. «H stellt sich vor» zeichnet ein satirisches, scharf konturiertes Mentalitätsbild der heutigen Schweiz. Unbedingt lesenswert.

vorgestellt von Perikles Monioudis, Schriftsteller & Online-Redaktor, Zürich

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