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Gutes, made in Switzerland

«Tutti fratelli» wiederholen die Mädchen und Frauen von Castiglione immer wieder, als sie nach der Schlacht von Solferino, in der die Franzosen und Piemontesen über die Österreicher gesiegt haben, die verwundeten und sterbenden Soldaten beider Seiten pflegen. Von den mitleidigen Krankenschwestern, die «allen Soldaten, die ihnen völlig fremd sind, das gleiche Wohlwollen zuteil werden lassen», […]

«Tutti fratelli» wiederholen die Mädchen und Frauen von Castiglione immer wieder, als sie nach der Schlacht von Solferino, in der die Franzosen und Piemontesen über die Österreicher gesiegt haben, die verwundeten und sterbenden Soldaten beider Seiten pflegen. Von den mitleidigen Krankenschwestern, die «allen Soldaten, die ihnen völlig fremd sind, das gleiche Wohlwollen zuteil werden lassen», berichtet Henry Dunant in seinen Aufzeichnungen «Eine Erinnerung an Solferino».

Diese Erinnerung wird vielfach als die inoffizielle Gründungsurkunde des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz angesehen und Henry Dunant mitunter zur Symbolgestalt mit welterlösender Dimension stilisiert. Als der Handelsreisende Dunant 1859 zufällig miterlebte, wie auf dem Schlachtfeld bei Solferino zuletzt über 40‘000 Tote und Verletzte zurückblieben, beschloss er, sein Leben fortan der Aufgabe zu widmen, der Fratze des Krieges menschlichere Züge zu geben. Ein Zivilist versuchte, den Krieg zurück in die Zivilisation zu holen.

In kürzester Zeit erreichte Dunant, was niemand für möglich gehalten hatte: ein internationales Abkommen mit dem Ziel, «die vom Kriege unzertrennlichen Übel zu mildern, nutzlose Härte zu verhüten und das Los der auf den Schlachtfeldern verwundeten Militärpersonen zu lindern», wie es schliesslich in der Genfer Konvention von 1864 formuliert wurde. Es war der grosse Versuch, auf dem Naturrecht fussende moralische Regeln aufzustellen, die für Menschen aller Nationen und Religionen gelten sollten. Fortan begleitete den Krieg die Hoffnung, die Barbarei kultivieren zu können.

Bis heute wird diese Hoffnung unablässig von der blutigen Realität eingeholt: Giftgasangriffe auf Zivilisten, Bomben auf Flüchtlingslager, Diktatoren, die die Bevölkerung morden, Volksgruppen derselben Nation, die einander im Bürgerkrieg auszulöschen suchen, Selbstmordattentate allenthalben, Grauen an unzähligen Orten. Die anhaltenden Entwicklungen in der Waffentechnik, das aktuelle Phänomen der Entstaatlichung bewaffneter Konflikte, die zunehmende Unschärfe in der Abgrenzung der Konfliktparteien stellen Dunants Visionen vor neue Herausforderungen.

Das Symbol des Roten Kreuzes gehört inzwischen zu den ältesten und weltweit bestbekannten Emblemen; oft wird die Schweiz im Ausland zu allererst mit dem roten Kreuz auf weissem Grund assoziiert. Entscheidend für den Erfolg des Internationalen Komitees, kurz IKRK, war seine Neutralität: Helfen, ohne Partei zu ergreifen. Die Neutralität des IKRK im Dienste der Humanität fand in der politischen Neutralität der Schweiz jene Rahmenbedingungen, die sie zur ihrer Entwicklung brauchte. Die Schweiz ihrerseits profitierte immer wieder vom hohen Ansehen des IKRK. Letzteres wurde zum Aushängeschild der Überzeugung, durch Unparteilichkeit Konflikte wenn nicht zu vermeiden, so doch wenigsten in ihren Konsequenzen zu mildern.

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