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Globalisierung: Missverständnisse und Realitäten

Globalisierung: Missverständnisse und Realitäten


Selten hat ein Thema so viele Missverständnisse und zuweilen auch bewusste Verzerrungen von Fakten und Entwicklungen hervorgerufen wie die Globalisierung. Wir hören und lesen von Entwicklungsländern, die unaufhaltsam verarmen, von Eintönigkeit beim Produkteangebot und von Unternehmen, die jeder Kontrolle entglitten sind.

Sicher gibt es Probleme. Eine tiefgreifende Veränderung wie die Globalisierung lässt sich nicht ohne Anpassungskosten haben; manche Menschen müssen ihre als gesichert betrachteten Ansprüche etwas zurückschrauben. Aber wie immer man die Sache auch betrachtet, in der Summe sind die Auswirkungen der Globalisierung in hohem Masse positiv. Drei Punkte mögen dies illustrieren.

Erstens: Der Wohlstand steigt in den Industrieländern weiter an. Für die Menschen in den Entwicklungsländern standen gleichzeitig die Chancen, aus der Armut auszubrechen, noch nie so gut wie heute. Die Zahlen der Weltbank zeigen es in aller Deutlichkeit: bis 1980 nahm die Zahl jener stetig zu, die in absoluter Armut lebten. Seit der dann einsetzenden, neuesten Etappe der Globalisierung sinkt die Zahl deutlich, obwohl wir die Jahre mit dem historisch höchsten je gemessenen Bevölkerungswachstum erleben. Einmal der Armut entkommen, bleiben die Menschen nicht stehen. Wir haben über die letzen 15 Jahre beobachtet, wie sie sich weiter zu bescheidenem, dann zunehmend höherem Wohlstand hocharbeiten, jeder auf einer andern Stufe einer riesigen Rolltreppe (vgl. www.humanglobalization.org). Dieser stetige Aufstieg ist noch nicht zu Ende, er geht weiter in Asien, Lateinamerika und auch vielen Ländern Afrikas.

Zweifellos gibt es viele Menschen, die den Zugang zu dieser Rolltreppe noch nicht bewältigt haben. Wir müssen bessere Bedingungen schaffen, auf dass die positiven Auswirkungen der Globalisierung noch rascher und tiefer wirken. Man denke namentlich an die Liberalisierung der Landwirtschaft in den Industrieländern, an den weiteren Abbau von Subventionen, aber auch an die Verminderung der Handelsschranken zwischen Entwicklungsländern.

Zweitens: Die Auswahl an Produkten wächst. Vor hundert Jahren fand ein Arbeiter in seinem Quartierladen um die 200 bis 300 Artikel. Ein Supermarkt bietet heute

60’000 und mehr Produkte aus aller Herren Ländern und in jeder erdenklichen Variante an. Gleichzeitig verstärkt sich in einer immer stärker vernetzten Welt der Trend zu regionalen Spezialitäten, die mit den internationalen Produkten koexistieren. Auch diese passen sich in Geschmack und Zusammensetzung an: Nescafé wird weltweit in hundert verschiedenen Varianten angeboten.

Drittens: Noch nie wurden Unternehmen so unerbittlich kontrolliert wie heute. Globalisierung bedeutet zuallererst Globalisierung des Wettbewerbs. Der Markt geht über Landesgrenzen hinaus und wird auf Bereiche ausgeweitet, die vorher vom Wettbewerb kaum berührt wurden. Dazu gehört etwa die Finanzierung. Noch vor dreissig Jahren konnten sich auch international tätige Schweizer Unternehmen zu lokalen Bedingungen und auf dem Schweizer Markt refinanzieren. Cost of capital war kein Thema. Hier, aber auch beim Wissen und bei der Suche nach Schlüsselpersonal, stehen wir heute unter zunehmendem Konkurrenzdruck, der zu dem noch grösseren Druck auf den Produktemärkten hinzukommt. Wir haben es in den vergangenen Jahren verschiedentlich gesehen; der globale Markt verhindert keine Fehler – das schafft übrigens auch Regulierung nicht – aber er bestraft Fehler hart und unerbittlich, dank der Globalisierung auch unabhängig von der Grösse der Firmen. Die Zeitschrift «Fortune» publiziert jedes Jahr eine Liste der 500 grössten Unternehmen der USA. Nimmt man die Liste von 1960 als Ausgangspunkt und vergleicht sie mit jener späterer Jahre, stellt man fest, dass nach 20 Jahren etwa ein Drittel der vorher genannten Firmen verschwunden ist. Bei den 500 im Jahr 1998 genannten Unternehmungen war es schon nach vier Jahren soweit.

Mehr Konkurrenz für Unternehmen ist kein Grund, das Rad zurückzudrehen. Es wäre auch kaum möglich; denn heute sind es die Entwicklungs- und Schwellenländer, die die Globalisierung als Chance für ihre Menschen sehen und vorantreiben.

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