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Gizgnäpper, Hüürebeiss, okee

Den Anlass zu den 83 alphabetisch sortierten «Wortgeschichten», die der aus dem Schweizer Radio bekannte Redaktor Christian Schmid auf gut 200 Textseiten erzählt, gaben Anfragen seiner Hörer. Da in vielen Wortgeschichten – die Stichwörter sind meist Substantive und Adjektive, selten Verben – auch auf Ableitungen, Zusammensetzungen, Synonyme oder etymologisch Verwandtes eingegangen wird, ist die Zahl […]

Den Anlass zu den 83 alphabetisch sortierten «Wortgeschichten», die der aus dem Schweizer Radio bekannte Redaktor Christian Schmid auf gut 200 Textseiten erzählt, gaben Anfragen seiner Hörer. Da in vielen Wortgeschichten – die Stichwörter sind meist Substantive und Adjektive, selten Verben – auch auf Ableitungen, Zusammensetzungen, Synonyme oder etymologisch Verwandtes eingegangen wird, ist die Zahl der behandelten Wörter deutlich grösser. Das hilfreiche Register ist mit 300 Einträgen (inklusive der Stichwörter) noch nicht einmal erschöpfend, weil manches nur nebenbei Erwähnte dort nicht verzeichnet wurde. Neben Klassikern der Sprachgeschichtsschreibung wie «Arbeit», «geil» oder «Polizei» sind die meisten Stichworte schweizerdeutsch, von denen einige wohl auch manchem Schweizer unbekannt sein dürften wie «Amadiisli», «Gizgnäpper», «Hüürebeiss», «Schiiterchüngeli» oder «verböischtig». Dennoch ist «Botzheiterefaane» (bereits in 3. Auflage) kein eigentliches Mundartwörterbuch. Vielmehr wird ohne Scheuklappen und ohne grosse Mühe der Bogen geschlagen von den schweizerdeutschen Dialekten über die Deutschschweizer Umgangssprache zu den in Deutschland und Österreich üblichen Ausprägungen des Deutschen oder – wenn erhellend – auch zu den anderen europäischen Nachbarsprachen. Dabei zeigt sich Schmid bei aller Liebe zur Tradition der Dialekte als nostalgie-fester Pragmatiker, der eben kein «Wortmuseum», sondern ein «auch für unser heutiges Sprechen relevantes Geschichtenbuch» anbieten will: die Aussage «Kein Zweifel, okee, okei ist heute eines der wichtigsten Mundartwörter» ist für Dialektpuristen sicher provokant, sie entspricht aber der heutigen Sprachforschung, die die Anpassungsfähigkeit der Dialekte und die Mehrsprachigkeit der Dialektsprecher nicht mehr als Mangel wahrnimmt.

Diese Offenheit gegenüber der Sprachgegenwart zeigt sich auch in den verwendeten Hilfsmitteln, die dem interessierten Laien durch gelegentliche Erwähnung vorbildlich nahegebracht werden. Zusätzlich zu den Grosswörterbüchern des Deutschen – allen voran das «Schweizerische Idiotikon» – nennt Schmid auch immer wieder das Internet als wichtige Quelle für Sprachdaten. Dem umsichtig ausgewählten Verzeichnis der gedruckten Hilfsmittel folgt deshalb ganz natürlich eine kurz kommentierte Liste der wichtigsten Informationsquellen zur deutschen Sprache im Netz.

Diese geglückte Verbindung von philologisch gesicherten Fakten mit einem sicheren und ausgewogenen Urteil kann jedem Sprachinteressierten empfohlen werden. Es bleiben zwei (kleine) Kritikpunkte: den zahlreichen schweizerdeutschen Beispielsätzen sind nur selten standarddeutsche Umsetzungen beigegeben. Und nicht immer gelingt es dem Autor, die zahlreich ausgebreiteten Fakten erzählerisch zu bändigen, was vielleicht zu schaffen gewesen wäre, wären die den Wortgeschichten zugrundeliegenden Fragen immer ausdrücklich genannt worden.

vorgestellt von Michael Mühlenhort, Gütersloh

Christian Schmid: «Botzheiterefaane. Wortgeschichten aus Schnabelweid und Mailbox». Muri/Bern: Cosmos, 2008

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