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Milena Moser: «Stutenbiss». München: Karl Blessing, 2007.

Milena Moser muss man mögen. Im doppelten Sinn. Im Idealfall kann man gar nicht anders und geniesst den flotten Stil der Schweizer Autorin. Wenn dies nicht der Fall ist, dann bleibt wohl nichts anderes übrig, als ihre Romane als Frauenliteratur zu bezeichnen – dabei womöglich die Hochkulturkeule schwingend –, was so gut wie nie als Kompliment gemeint ist. Es sei verraten: ich mag Milena Moser.

In ihrem aktuellen Roman «Stutenbiss» werden grosse Themen wie nebenbei angerissen. Zu sagen welche, würde nach Spielverderb riechen, vor überraschenden Drehungen und Wendungen im Handlungsablauf muss man die mit der Bestsellerautorin vertrauten Leser sowieso nicht warnen. Trotz der einfachen Sprache ohne Nebensatzlabyrinthe, trotz den Figuren mit hohem Identifikationspotential und einem Plot, der sich jederzeit in ein Drehbuch verwandeln liesse, ist der Text weit mehr als bloss unterhaltsam.

Zwei Frauen im besten Alter, Mitte Vierzig, treffen sich nach Jahrzehnten wieder. Als Elfjährige waren die beiden beste Freundinnen, auch wenn sich Risse schon abzeichneten. Nach einer Begegnung im Wald mit dem Mann, vor dem die Eltern und der Lebenskundeunterricht immer gewarnt haben, verlieren sie sich aus den Augen. Susen, die davonlaufen kann, geht aufs Gymnasium, bricht es ab, versucht sich als Model, Popstar und Künstlerin, um schliesslich mit einer Zeitungskolumne über ihr Liebesleben schweizweit Bekanntheit zu erlangen und ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, inklusive Loft, Designerklamotten, 300-Franken-Haarschnitten, unehelicher Tochter und der zu ihr gezogenen Mutter mit fatalem Hang zum Glücksspiel. Belle hat sich den Kindheitstraum mit Pferderanch und Indianerehemann beinahe erfüllen können. Möglich, dass dieser Traum ursprünglich keinen an sich selbst scheiternden Autor – mit Hang zum Seitensprung und mit überhöhtem Ego – als Ehemann beinhaltet hat. Ziemlich sicher, dass auch keine kochende, den Haushalt führende und dem Ehemann einen Sohn gebärende Zweitfrau vorgesehen war. Doch der Ehemann ist auf eine solche Art High Maintenance, dass die Arbeitsteilung mit der Zweitfrau eigentlich gar nicht so ungelegen kommt.

Als die beiden Frauen nach jahrzehntelanger Funkstille wieder aufeinandertreffen, kommt der Zwiespalt zwischen Vertrauen und Entfremdung voll zum Tragen. Hier zeigt sich Milena Mosers Können. Ohne grosse Introspektion, ohne lange Erklärungen und Erläuterungen werden Texte und Subtexte in Dialogen skizziert, verfügt jede Figur, auch die Nebenfiguren, über eine unaufdringliche und ungekünstelt wirkende Sprache und sind die Schnitte so gesetzt, dass der Leser zwar immer einiges vermutet, aber bis zum Schluss gerne auf die Auflösung wartet.

Und dann sind da noch die Mütter. Die eine Mutter ist eine altgewordene Hollywoodschauspielerin, die andere eine typische Hausfrau, die sich nach dem Tod des Ehemanns endgültig emanzipiert und ihre Erfüllung im Glücksspiel sucht. Beide mischen auf ihre Art im Leben der Töchter mit, in beiden Fällen gibt es Konfliktpotential und Einsichten. Insofern ist «Stutenbiss» dann doch Frauenliteratur. Es geht um Mütter und Töchter, die männlichen Nebenfiguren bleiben im Hintergrund. Diese bewusste Verschiebung des Stereotyps macht Milena Mosers «Stutenbiss» so erfreulich und – in Kombination mit dem Willen der Autorin, ihre Figuren zu mögen und ihnen trotzdem Schlimmes zustossen zu lassen – die Lektüre zu einem Erlebnis.

vorgestellt von Markus Köhle, Wien

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