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Gerichtliche Abzockerei

Nicht schlecht gestaunt habe ich, als einem Klienten von mir eine Gerichtsgebühr von CHF 1770.– für das Ausstellen eines kurzen Erbscheins auferlegt wurde. Die Erbfolge war aufgrund des vorgängigen Testamentseröffnungsurteils klar, das Ausstellen des Erbscheins beschränkte sich also auf die Eingabe weniger Namen in ein vorgefertigtes Formular. Ich habe daher die hohe Gebühr beim zuständigen […]

Gerichtliche Abzockerei

Nicht schlecht gestaunt habe ich, als einem Klienten von mir eine Gerichtsgebühr von CHF 1770.– für das Ausstellen eines kurzen Erbscheins auferlegt wurde. Die Erbfolge war aufgrund des vorgängigen Testamentseröffnungsurteils klar, das Ausstellen des Erbscheins beschränkte sich also auf die Eingabe weniger Namen in ein vorgefertigtes Formular. Ich habe daher die hohe Gebühr beim zuständigen Richter per E-Mail gerügt: «Der Betrag erscheint mir exorbitant und ich bitte um Substantiierung.»

Wenige Tage später rief mich der Richter an und begründete die Gebühr. Er berief sich auf die Gerichtsgebührenverordnung des Obergerichts, die auch ich kenne. Diese gibt einen Rahmen von CHF 300.– bis 13 000.– für Derartiges vor. Die Bemessung erfolgt nach dem tatsächlichen Streitinteresse, nach dem Zeitaufwand des Gerichts und der Schwierigkeit des Falles.

Würde unterstellt, das Gericht arbeite zu einem in Anbetracht des Interessenwertes begründeten Anwaltsstundentarifs von CHF 350.–, so ergäbe sich ein gerichtlicher Zeitaufwand von über 5 Stunden. Natürlich ein Unsinn! Das Ausstellen des Erbscheins dürfte nicht mehr als eine halbe Stunde in Anspruch genommen haben.

En passant meinte der Richter schliesslich, der Rechtssuchende müsse eben auch eine gewisse Quersubventionierung von Fällen dulden, bei denen die Gerichtsgebühren entweder uneinbringlich seien oder a priori nicht kostendeckend. Das ist unerhört und entbehrt nun jeglicher Rechtsgrundlage. Behördliche Gebühren dürfen kostendeckend, aber nicht einträglich sein. Und allfällige Ausfälle sind dabei sicher nicht durch «quersubventionierende» Rechtssucher zu zahlen.

Aus ökonomischen Gründen muss ich meinem Klienten trotzdem raten, die Faust im Sack zu machen, auf eine Kosteneinsprache zu verzichten und zähneknirschend zu bezahlen. Denn allfällige Gerichts- und sichere Anwaltskosten dafür können sich noch schneller auf mehrere tausend Franken belaufen.

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