Geld regiert die Welt. Wer regiert das Geld?
Der Titel unseres Dossiers ist suggestiv. Wenn es stimmt, dass Geld die Welt regiert, dann regiert die Welt, wer über das Geld herrscht. Das Geld ist heute eine staatliche Angelegenheit. Der Staat hat nicht nur das Gewalt-, sondern auch das Geldmonopol. In Artikel 99 der Bundesverfassung ist festgelegt: «Das Geld- und Währungswesen ist Sache des […]
Der Titel unseres Dossiers ist suggestiv. Wenn es stimmt, dass Geld die Welt regiert, dann regiert die Welt, wer über das Geld herrscht.
Das Geld ist heute eine staatliche Angelegenheit. Der Staat hat nicht nur das Gewalt-, sondern auch das Geldmonopol. In Artikel 99 der Bundesverfassung ist festgelegt: «Das Geld- und Währungswesen ist Sache des Bundes; diesem allein steht das Recht zur Ausgabe von Münzen und Banknoten zu.» Deshalb hält sich der Staat eine eigene Zentralbank, in der Schweiz auch «Nationalbank» genannt. Sie führt «als unabhängige Zentralbank eine Geld- und Währungspolitik, die dem Gesamtinteresse des Landes dient».
Doch was ist darunter zu verstehen? Der Begriff des «Gesamtinteresses» ist problematisch, weil in einer Gesellschaft und Volkswirtschaft stets divergierende Interessen existieren. Die Nationalbank hat jedoch dafür zu sorgen, dass das volkswirtschaftlich unerlässliche Zahlungs- und Kreditgeschäft funktioniert. Zu diesem Zweck ist – oder wäre – es unerlässlich, dass die Nationalbank unabhängig agiert.
Die Nationalbank ist lender of last resort – oder in den Worten Joseph Schumpeters, der ein Befürworter des Zentral¬bankwesens war: sie ist «die letzte Quelle von Kredit, die Instanz, die ihn grundsätzlich immer beschaffen kann». Hier liegt der Kern – und zugleich das grösste Problem – des modernen Geldwesens: die Zentralbank schafft Geld aus dem Nichts. Was als Intervention in extremis gedacht war, um Liquiditätskrisen von Banken zu überbrücken, schafft so die Krise als Dauerzustand: ein Leben auf Pump durch die ständige Ausweitung der Geldmenge.
Politiker und Verantwortliche betonen formell die Unabhängigkeit, materiell sind die Zentralbanken jedoch zunehmend zum Spielball der Politik geworden: die US-amerikanische Fed (Federal Reserve), die EZB (Europäische Zentralbank) und auch die Schweizerische Nationalbank.
Die Fed verfolgt neben der Preisstabilität und langfristig niedrigen Zinsen auch das Ziel einer niedrigen Arbeitslosenquote. Die EZB hat als «vorrangiges Ziel» die Preisstabilität, unterstützt jedoch auch die «allgemeine Wirtschaftspolitik der Union». Und im schweizerischen Bankengesetz heisst es, dass die Nationalbank – neben der Preisstabilität – «der konjunkturellen Entwicklung Rechnung trägt».
Diese Zusatzaufgaben lassen jeweils grossen Interpretationsspielraum zu. Geldpolitik wird bei geschickter politischer Nutzung dieser Spielräume schnell zu Konjunktur-, Beschäftigungs- und Industriepolitik, die Nationalbank zu einem gewichtigen politischen Akteur, dessen Unabhängigkeit bloss noch auf dem Papier existiert. Lesen Sie im Dossier, wohin geldpolitischer Machbarkeitsglaube führt. Und wie Sie den damit verbundenen Risiken vorbeugen können.
Die Redaktion