Fussball für Nichtanerkannte
Eine Anekdote aus Arzach.
Bei unserer Ankunft in Stepanakert fallen riesige Plakate auf, die eine «Conifa» anpreisen. Das Akronym steht für «Confederation of Independent Football Associations» – Arzach ist dieses Jahr Gastgeber einer Europameisterschaft für Fussballteams nicht anerkannter Staaten. Wir verpassen sie leider knapp – die Eröffnung findet am Tag nach unserer Abreise statt –, doch die «EM» kündigt sich unübersehbar an: Parkplätze werden abgesperrt, um Platz für Reisebusse zu schaffen, die Polizei patrouilliert von Tag zu Tag sichtbarer, Kollege Bader muss seine Senior Suite gegen einen Single Room eintauschen, und bei Romero und Rühli fehlt bald je ein Bett: Das Team Abchasiens wird im «Europe Hotel Artsakh» einquartiert.
Die meisten Arzachis sind stolz auf den Event. Sie glauben, die Welt nehme davon Kenntnis und die Austragung helfe Arzach im Bemühen um Anerkennung als unabhängige Republik. Neben Arzach und den «üblichen Verdächtigen» Südossetien und Abchasien sind allerdings auch Regionen dabei, die keine Unabhängigkeit proklamiert haben, sondern wo bloss gewisse Gruppierungen mit Unabhängigkeitserzählungen sympathisieren: Westarmenien (armenische Minderheit in der Türkei), Szeklerland (ungarische Minderheit in Rumänien), Sápmi (Lappland), Grafschaft Nizza (fiel 1860 an Frankreich), Çamëria (albanische Minderheit in Griechenland), Padanien (Propagandabegriff der Lega Nord für das nördliche Italien). Dazu die beiden im Zuge des Ukrainekrieges 2014 ausgerufenen Volksrepubliken Donezk und Lugansk.
Tigran Grigorjan winkt ab, als wir ihn auf die EM ansprechen: Das sei eine Farce und sende die falschen politischen Signale aus. Arzach hätte sich nicht dafür hergeben sollen, denn die Hälfte der teilnehmenden Regionen seien geopolitische Marionetten Russlands.
Dem Durchschnittsbürger hier sind solcherlei politische Spitzfindigkeiten egal. Die Veranstaltung begeistert – Fussball verbindet, und für Arzach ist diese EM ein Grossereignis. Am Vorabend der Eröffnungsfeier komme ich noch in den Genuss der Hauptprobe, samt Ansprachen, Operngesang und Bühnenlicht – die Stadiontore stehen allen offen. Kinder vergnügen sich auf dem Rasen und posieren stolz auf dem mittig platzierten Signet der «EM». Arzach ist bereit!