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Furche um Furche

Arbeiten von Mathias Hornung

Furche um Furche

Mitten in Ostberlin, die grossen Fenster der Galerie geben den Blick frei auf die über einen Quadratmeter grossen Holzreliefs, Passanten schlendern vorbei. «Handwerklich gute Arbeit», bemerkt der eine, ein anderer sagt zu seiner Begleitung: «Dieses da würde doch gut über die Wohnzimmercouch passen», «Nein», widerspricht sie «das Rot ist zu rot für uns».

Es sei oft so, erzählt später Mathias Hornung, dass von seinen Arbeiten die am stärksten beeindrucken, für die er sich physisch am meisten anstrengen musste. Anscheinend gefällt, was Schweiss gekostet hat. Manchmal fühle er sich wie ein Bauer, der stumpfsinnig Furche um Furche ziehe. In der Tat haftet seinen Reliefs etwas Erdiges an. Beim einen, ganz in braun gehalten, durchziehen feine, nur wenige Millimeter tiefe Spuren dicht an dicht die Oberfläche, die sich in leichten Wellen aufwirft. «Moosland» hat er es genannt, und die Versuchung ist gross, mit der Hand über die Oberfläche zu streichen (S. 7 dieser Ausgabe). Ein anderes, ebenso grossformatig, ist weniger organisch. Die mit Handeisen und Kettensäge geschlagenen und gezogenen Schneisen kreuzen sich meist im rechten Winkel, sie sind tiefer, lassen das Holz manchmal splittern, grosszügig ist mal mehr ins Rot, mal mehr ins Orange gehende Farbe auf der ganzen Fläche verteilt (Titelblatt). Die Oberfläche dieser an den Wänden aufgehängten Holzreliefs greifen in die dritte Dimension, scheinen sie aber noch nicht ganz zu erreichen. Greifbar dreidimensional sind erst die Skulpturen, ebenfalls aus Holz, die frei im Raum stehen. Würfel und Quader, manche kaum grösser als Briefbeschwerer, wie etwa «Stronghold» (S. 45). Andere wiederum erreichen das Volumen von kleinen Möbeln. Ihre Oberflächen ähneln denen der Reliefs, aus denen sie wie herausgetreten wirken.

Einige der Reliefflächen könnten noch als Druckplatten verwendet werden und erinnern daran, dass Mathias Hornung vor 12 Jahren, nach seiner Ausbildung zum Bühnenbildner in Stuttgart, mit Holzdrucken experimentierte. Er wollte farbig drucken, pink, orange und grün, und nicht die Tradition des strengen, klassischen Holzdrucks in zurückhaltenderen Farben fortführen (S. 12 und 33).

Anfangs figurativ, wurde er bald formaler und versuchte – er war schon lange aus der süddeutschen Idylle in eine frühere Fabrikhalle nah der ehemaligen Berliner Mauer umgezogen – das Zittern, die Nervosität und das spacige Flimmern, kurz: die Geschwindigkeit und den Flair der Grossstadt einzufangen. Kein leichtes Vorhaben, denkt man an die Schwerfälligkeit von Werkzeug und Material, das der Künstler mit Vorliebe verwendet. Doch es gelingt ihm durch Verdichtung, Überlagerung und eine bis ins Detail gehende Rhythmik. Wenn er meint, an einem vorläufigen Endpunkt angekommen zu sein, dann wechselt er. Vom Holzschnitt zum Relief, von dort zur Bildhauerei und wieder zurück. Zur Zeit plant er, sich wieder der Zeichnung zuzuwenden, die immer schon als Skizze und Studie eine Rolle gespielt hat (S. 28, 29). Ihm ist so ernst damit, dass er seinen alten Laster, mit dem er bisher Werkzeug und Holz transportierte, verkaufen will und schon bald für mehrere Monate zu einem Stipendienaufenthalt nach Kanada reist, um sich im Land des Holzes ganz Papier und Bleistift zu widmen.

(www.mathiashornung.de)

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