Freund der Freiheit
Zum Tod von Roland Baader
Im 8. Januar 2012 ist der deutsche Ökonom und Publizist Roland Baader nach langer schwerer Krankheit verstorben. Für den «Schweizer Monat», der damals noch «Schweizer Monatshefte» hiess, hat Baader zahlreiche engagierte Beiträge verfasst. Er hat die Zeitschrift im Literaturverzeichnis seiner Bücher verschiedentlich als eine der wenigen wirklich verlässlichen liberalen Orientierungshilfen angeführt. «Eigentlich ist die Sache ganz einfach», so beginnt im Baader-Originalton einer seiner Kurzessays. Er beschreibt darin in der ihm eigenen deftigen Sprache, dass es letztlich bei der umverteilenden staatlichen Sozialpolitik darum geht, den einen das zu geben, was man den andern gegen ihren Willen genommen hat. «Aus dem friedlichen Marktprozess der leistungsgerechten (die Konsumentenwünsche spiegelnden) Verteilung wird ein politischer Machtkampf und ein Hauen und Stechen der Lobbies um eigene Privilegien und um Ausbeutung anderer.»
Angesichts solcher Formulierungen wird auch klar, warum sich Roland Baader nicht nur im sozialistischen und sozialdemokratischen Lager Feinde gemacht hat, sondern auch bei jenen «Auch-Liberalen», die sich mit allem arrangieren – auch mit korporatistischen Strukturen, in denen die Abgrenzung von Politik und Wirtschaft für beide Seiten zu einer graduellen und nicht mehr zu einer prinzipiellen Angelegenheit wird.
Wer die Entwicklung des liberalen Nachdenkens in den letzten 40 Jahren kritisch verfolgt hat, kommt kaum um die Feststellung herum, dass die konsequenten Freunde der Freiheit sich gegenüber mindestens drei gegnerischen Lagern behaupten müssen.
Erstens gegen die schwindende Zahl der überzeugten Anhänger einer zentral verwalteten Kommandowirtschaft mit einem klaren Primat der Politik über die Wirtschaft. Das ist die einfachste Aufgabe, denn bei einer vorbehaltlosen Beobachtung der Realität bzw. der Geschichte entlarvt sich diese Vorstellung früher oder später selbst als ökonomisches und menschliches Horrorszenario. Zweitens, und das ist die anspruchsvollere Aufgabe, gegen die Gruppe der «Auch-Liberalen», die auf einer «zweitbesten Ebene» Kompromisse zwischen Staatswirtschaft und Privatwirtschaft anstreben, nach der wohlklingenden Allerweltsformel «So viel Staat wie nötig, so viel Freiheit wie möglich». Nach diesem graduellen Freiheitsverständnis wird es sehr schwierig, sich gegenüber allen Formen des gutgemeinten Zwangs zum Guten wirksam zur Wehr zu setzen. «Auch-Liberale» sind für konsequente Liberale die grössere Herausforderung als Etatisten. Die hartnäckigsten Gegner des Liberalismus, mit denen sich Roland Baader immer wieder auseinandergesetzt hat, sind aber, drittens, jene, die zunächst das Zerrbild einer zutiefst menschenfeindlichen Marktwirtschaft an die Wand malen, um dann als heroische Drachentöter einen vagen Softsozialismus als Heilmittel zu propagieren. Sie prägen zurzeit das markt- und freiheitsfeindliche Klima unter westlichen Intellektuellen.
Exemplarisch für Baaders Entkräftung der Irrtümer dieser Kapitalismuskritik ist seine Rezension von Naomi Kleins Bestseller «Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus» (2007).1 Seine Konklusion: «Naomi Klein setzt getreu der Irrtumstradition vieler Intellektueller den ‹real existierenden militärisch-industriellen Komplex› der Washingtoner Machteliten gleich mit dem Idealgehalt der Marktwirtschaft und des Kapitalismus, der in Wahrheit mit Gewaltanwendung unvereinbar ist.»
«Hier steh ich und kann nicht anders.» Mit diesem Lutherzitat schliesst jene fiktive Bundestagsrede, die heute in Erinnerung an den überzeugten Katholiken und beharrlich protestierenden Freiheitsfreund Baader auf vielen Internetseiten wieder publiziert wird. «Viel Feind, viel Ehr» hab ich Roland Baader einmal zugerufen. Dass er nun mit seiner kantigen Botschaft zur wichtigen Inspirationsquelle einer jungen Generation überzeugter Staatsungläubigen wird, ist angesichts des vor allem in Deutschland grassierenden Freiheitspessimismus ein Zeichen der Hoffnung.
1 Roland Baader: Sie geben falschen Alarm, Naomi Klein.
In: Schweizer Monatshefte 962, 2008. S. 6.