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Freiheitsversprechen hüben und drüben

Jeder Wahlkampf beschert dem Begriff «Freiheit» Konjunktur. Nur sind diejenigen, die sie einfordern, oftmals auch diejenigen, die noch mehr Regeln aufstellen wollen.

Freiheitsversprechen hüben und drüben
Die FDP Schweiz eröffnet am 8. September 1979 während ihres Parteitags in Brunnen den Wahlkampf. Die FDP trat in diesem Jahr unter dem Motto «Mehr Freiheit und weniger Staat» an die Öffentlichkeit. Bild: Keystone/Str.

Nie zeigt sich eindrücklicher, dass wir in einem freien Land leben, als wenn in der Schweiz gewählt wird. Fast 6000 Frauen und Männer kämpften in diesem Jahr um einen Sitz im Nationalrat, darunter solche, die das politische System zuvor verteufelt haben. Jede mündige Person kann ihren Favoriten ihre Stimme geben und guten Gewissens davon ausgehen, dass die Wahlen in ordentlichem Rahmen ablaufen und nicht betrogen wird. Allein das ist keine Selbstverständlichkeit auf dieser Welt, in der in den meisten Ländern keine freien Wahlen garantiert sind.

Trotzdem tut sich hierzulande Eigenartiges, wenn Wahlen anstehen. Nicht nur, dass Plakatwände und Felder und Heuballen mit grossformatigen Porträtaufnahmen tapeziert werden und sich die Kandidatinnen und Kandidaten in vermeintlich lustigen Wahlvideos mit Peinlichkeiten überbieten. Seltsam mutet insbesondere an, dass sich auf einmal beinahe ausnahmslos alle die Freiheit gross aufs Banner schreiben. «Die SP ist die Partei der Freiheit», tönt es von links. «Freiheit, Gemeinsinn und Fortschritt», fordert die FDP. «Für eine sichere Zukunft in Freiheit», poltert die SVP. «Die Mitte – Solidarität, Freiheit, Verantwortung», lautet der Slogan aus dem Zentrum. Und die Grünen wollen die «Freiheitsenergien» ebenso wie die «individuelle Freiheit» fördern.

Freiheitsversprechen also hüben und drüben. Nur scheinen alle etwas anderes unter dem Begriff «Freiheit» zu verstehen. Insbesondere scheint die eigene Freiheit der Freiheit der anderen oft diametral entgegenzustehen. Man fordert für sich mehr Freiheit ein, als man den anderen zugestehen will – ohne zu bemerken, dass dies so nicht funktioniert. Gerade Politiker scheuen nicht
davor zurück, mit Regeln und Gesetzen Freiheiten zu beschneiden, solange es nicht die eigenen sind.

Auffallend ist vor allem eines: Diejenigen, die in unserem freien Land am lautesten nach Freiheit schreien, sind oft jene, die sich mit ihrem kleinen Denken die engsten Grenzen setzen. Und das gilt nicht nur für Politiker.

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