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Warmes Bier

Stellen Sie sich vor, Sie bestellten einen Schnaps – aber ohne Alkohol. Oder eine heisse Schokolade – aber kalt. Oder ein Bier – aber warm und abgestanden. Gut, letzteres wäre für einen Briten nicht schwer vorzustellen. Aber: warum sollte man jenseits der Insel ein Getränk bestellen, dessen mitunter grösste Vorzüge man gar nicht schätzt?

Ins Politische übertragen wäre diese Frage der Schweizer Linken, genauer: den Sozialdemokraten und Gewerkschaften, zu stellen. Beide setzen sich nach eigenem Bekunden für eine Integration der Schweiz in die Europäische Union (EU) ein – stemmen sich aber gleichzeitig mit Leibeskraft gegen den gemeinsamen Markt. Sie wollen «mehr Europa», aber weniger von der Essenz der EU: den freien Fluss von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeit. Anders ist das kompromisslose Insistieren auf flankierenden Massnahmen zum Abkommen mit der EU nicht zu verstehen. Die flankierenden Massnahmen sind schliesslich zuvorderst neutralisierende Massnahmen: Sie bauen protektionistische Schranken auf und konterkarieren so den ursprünglichen Sinn der europäischen Abkommen – eine Öffnung der Märkte. Sie sind so sinnvoll, wie ein erfrischendes kühles Bier zu bestellen, nur um es dann kräftig zu schütteln und zu erwärmen. Und: je mehr flankierend-neutralisierende Massnahmen, desto sinnloser werden die Abkommen. Ab einem gewissen Grad des Heimatschutzes erübrigen sie sich gänzlich, ganz so wie das Schütteln und Erwärmen ein Bier ungeniessbar macht. Es stellt sich also die Frage: was für eine Art europäische Integration will die Linke eigentlich, wenn nicht in die vier Freiheiten der EU? Kann es sein, dass die Linke in Wahrheit einen Tee will und nur irrtümlich ein kühles Bier bestellt? Vielleicht sollte den Sozialdemokraten und Gewerkschaftern noch einmal jemand in Ruhe erklären, was es mit der europäischen Einigung eigentlich auf sich hat – zur Not auch am Tresen.

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