Fitnesstipps von der Privatwirtschaft
Der Staat wächst ungebremst. Beim Abspecken helfen Rezepte aus der Wirtschaft.
Die Beschäftigung im öffentlichen Sektor wächst stetig. Zwischen 2011 und 2021 wuchs der Stellenetat um 2 Prozent pro Jahr von 458 000 auf 550 000. Die Beschäftigung im privaten Sektor stieg um weniger als 1 Prozent pro Jahr, bei wachsender Arbeitsproduktivität.1 Bevölkerung und Bruttoinlandsprodukt wuchsen mit 0,9 Prozent beziehungsweise 1 Prozent deutlich langsamer. Zudem werden im öffentlichen Sektor hohe Löhne bezahlt – bei Bundesangestellten rund 12 Prozent mehr als im Privatsektor. 2 Das zeigt, dass bei öffentlichen Institutionen nicht die Effizienz im Vordergrund steht; ein privates Unternehmen hätte bei einer vergleichbaren Ausgangslage längst Restrukturierungsmassnahmen ergriffen.
Hohes Potenzial, tiefe Ambitionen
Der Bundeshaushalt steht unter Druck, da ungedeckte Mehrausgaben im Einklang mit der Schuldenbremse zu finanzieren sind. Grosse Sparübungen sind immer schwierig umzusetzen, im öffentlichen Bereich kommt das politische Seilziehen hinzu. Umso wichtiger scheint, die Potenziale beim Personal auszuschöpfen.
Die Personalkosten machen 8 Prozent der Ausgaben des Bundes aus. 3 Allein eine Kürzung des Personalbestands um 10 Prozent auf das Niveau von 2014 birgt ein Potenzial von über 620 Millionen Franken. Dabei könnten kritische Bereiche wie etwa die Armee ausgeklammert und an anderer Stelle höhere Sparziele gesetzt werden. Berücksichtigen wir Kantone und Gemeinden, liegt das Sparpotenzial rund 1,8-mal höher. Die öffentliche Beschäftigung und damit das Potenzial liegen unter anderem aufgrund der in der Statistik nicht ausgewiesenen staatsnahen Betriebe höher, wie die Denkfabrik Avenir Suisse aufzeigt.4
Bundesrat, Parlament und die Pendants auf kantonaler Ebene sind in der Pflicht, Reformen anzureissen. Die Ambitionen jedoch sind leider sehr verhalten. Die 2024 eingesetzte Expertengruppe unter dem Vorsitz von Serge Gaillard schlägt Einsparungen beim Personal vor, allerdings lediglich durch Kürzung geplanter Mehrausgaben.5 Ähnlich tiefe Ambitionen und Umsetzungsunlust würden in der Privatwirtschaft zu einigen Insolvenzen führen. Kantonale Vorstösse wie die «1:85»-Initiative der FDP Solothurn regen die Debatte an. Die meisten gehen aber nicht sehr weit, da sie auf Mehrheitsfähigkeit ausgerichtet sind.
Personalkürzungen sind anspruchsvoll, unbeliebt – und Chefsache. Dies sollte auch für den öffentlichen Sektor gelten. Es wäre sinnvoll, bei Schlüsselpositionen in der Verwaltung die Vergütung an Effizienzziele zu knüpfen, wie das in Unternehmen üblich ist. Bei der Durchführung von Effizienzprogrammen wird umfassend überprüft, welche externen und internen Leistungen wirklich notwendig sind. Personelle Effizienzmassnahmen können weitgehend unabhängig davon ergriffen werden. Typischerweise unterscheidet man dabei Massnahmen in Prozessen und Strukturen.
Prozessuale Massnahmen umfassen das Auslagern oder Streichen nichtkritischer Aufgaben, die Reduzierung des Service-Levels oder Erhöhung des Outputs pro Mitarbeiter. Man kann auch weiterdenken, etwa mit (administrativen) ämterübergreifenden Service-Centern. Prozessbasierte Einsparungen basieren auf vereinfachten Abläufen. Komplexität schleicht sich oft über die Jahre ein. Die Digitalisierung scheint keine Personaleffizienz gebracht zu haben; die entsprechenden Investitionen sind somit nicht gerechtfertigt.
«Die Digitalisierung scheint keine Personaleffizienz gebracht zu haben.»
Strukturelle Massnahmen straffen die Hierarchieebenen und prüfen die Organisationsstruktur, etwa punkto Doppelspurigkeiten oder ineffizienter Schnittstellen. Gerne wird dabei vergessen, dass eine Transformation nicht nur schlechte Stimmung und negative Aspekte bringt, sondern insbesondere für Leistungsträger auch Chancen bietet. Gerade Personen, die durch Ineffizienzen frustriert sind, werden motiviert, wenn die zielführenden Vorschläge endlich zur Umsetzung kommen.
Eine längst überfällige weitere Massnahme wäre die Anpassung der Löhne und der Anstellungsbedingungen an vergleichbare Branchen in der Privatwirtschaft, etwa im Banken- und Versicherungsbereich. Aktuell sind die Regelungen im öffentlichen Sektor oft arbeitnehmerfreundlicher als in der Privatwirtschaft. Statt gesonderten Personalgesetzen könnten die Angestellten dem privatrechtlichen Arbeitsrecht unterstellt werden. Um eine Sparkultur zu etablieren, hilft ein Einstellungsstopp mit restriktiven Ersatzanstellungen.
«Eine überfällige Massnahme wäre die Anpassung der Löhne und der
Anstellungsbedingungen an vergleichbare Branchen in der Privatwirtschaft.»
Ein Massnahmenprogramm führt in der Privatwirtschaft typischerweise zu Effizienzsteigerungen von 10 bis 15 Prozent. Wichtig ist dabei, die Einsparungen an den Ausgaben des Vorjahres zu messen. Gerne werden in der Politik Kürzungen grosszügig geplanter Budgets als Einsparung verkauft. Aus Restrukturierungssicht sind Einsparziele von 15 Prozent herausfordernd, aber mit entsprechendem Effort umsetzbar. Es gibt keinen Grund, weshalb der öffentliche Bereich nicht genauso strikt auf Effizienz getrimmt werden sollte wie der private Sektor.
Budget auf null setzen
Angesichts der unaufhörlich ansteigenden Kosten sind auch radikalere Ansätze wie das sogenannte «Zero-Based Budgeting» denkbar. Dabei orientiert sich das Budget nicht am Vorjahr, sondern wird auf null zurückgesetzt. Basierend auf einem kritisch geprüften Leistungskatalog überlegt man sich dann, was notwendig ist, um die Leistungen zu erbringen. Sprich: Man löst sich gedanklich von bestehenden Strukturen und fragt etwa, welcher Personalbestand wirklich nötig ist, um die Leistungen zu erbringen. Konsequent angewendet, ermöglicht das eine Einsparung von über 15 Prozent. Ein externer Blick hilft zudem, die wirklich relevanten Fragen zu stellen.
Da im öffentlichen Sektor die ordnende Hand des Marktes nicht greift, ist es Aufgabe der Politik, für Effizienz in der Verwaltung zu sorgen. Höchste Zeit, erprobte Rezepte anzuwenden und echte Ambitionen in die Debatte zu bringen!
Economiesuisse: «Wächst die Schweiz vor allem in die Breite?», 10.3.2023. ↩
Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik: «Beschäftigung im öffentlichen Sektor der Schweiz. Neu: Verwaltungslöhne unter der Lupe», Februar 2023. ↩
Bundesamt für Statistik, Bundeshaushalt, Einnahmen und Ausgaben nach Art, interaktive Tabelle, Daten des Jahres 2023 verwendet. ↩
Avenir Suisse: «Vermessenes Staatswachstum: Vier Perspektiven auf die Entwicklung des staatlichen Fussabdrucks in der Schweiz», April 2023. ↩
NZZ vom 7.9.2024: «Und ewig wächst die Verwaltung, doch jetzt soll der Bund auf 1300 Stellen verzichten und bei den Löhnen bremsen». ↩