«Finale»
Ah! Der Höhepunkt! Das rauschende Finale! Hören Sie den Tusch? Die schmetternden Hörner, das klagende Fagott, die schmeichelnden Streicher? Ein Abgang mit Pauken und Trompeten, das ist doch, was sich jeder wünscht, wenn es dem Ende zugeht. Finale furioso! Und kein finales Siechtum. Nein, Ende ist nicht gleich Ende. Finis! – das ist Triumph, das […]
Ah! Der Höhepunkt! Das rauschende Finale! Hören Sie den Tusch? Die schmetternden Hörner, das klagende Fagott, die schmeichelnden Streicher? Ein Abgang mit Pauken und Trompeten, das ist doch, was sich jeder wünscht, wenn es dem Ende zugeht. Finale furioso! Und kein finales Siechtum.
Nein, Ende ist nicht gleich Ende. Finis! – das ist Triumph, das ist der schmissige letzte Strich mit Pinsel oder Feder unter das vollendete Werk: es ist vollbracht. Ich hab’s geschafft. Seht her: die finale Kolumne im geschätzten «Monat», eine Kunstgattung übrigens, die zärtlich geschliffen und poliert werden muss, bevor sie mit dem Finish versehen wird, das sie zum Glänzen bringt.
Doch leider ist die schöne Finalität auch dem Finassieren verwandt, womit ein Trick bezeichnet wird, ein Kunstgriff, ein bisschen Pferdetäuscherei, nicht immer mit Finesse. Wie oft schon, etwa, hat jemand das Ende vorhergesagt, damit das Geld im Ablasskasten klimpert, Heerscharen von Gläubigen haben daran geglaubt, und was geschah? Kein Donnerschlag, kein Knall und noch nicht mal ein wenig Gewimmer. Das Ende ist uns so lange schon nah, dass es uns wie ein guter Freund vorkommt.
Wehe aber, wenn einer das grosse Finale banal auf «die Finals» zusammenschrumpeln lässt, ein irreführender Plural, denn es gibt nur ein Ende, das wert ist, so genannt zu werden. Wer es deutsch haben muss, weil er sich auf so etwas Britisches wie «the finals» nicht verständigen kann, versteht nichts von Tuten und Blasen, sondern pfeift aus dem letzten Loch. Das Endspiel nämlich erreicht seinen Höhepunkt nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit dem Abpfiff. Und das, mit Verlaub, ist ein Absturz.
Und deshalb, liebe Leser: ich pfeif Ihnen keins. Ich wünsche Ihnen bloss weiterhin Zeit zum Denken und zum Lesen und zum Hören – vielleicht, warum nicht, Beethovens 9., IV. Satz: Finale. Die Ode an die Freude.
Fini.