Fans im Fokus
Werner Bosshard, Beat Jung: «Die Zuschauer der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. Zürich: Limmat, 2008
2008 war nicht nur das Jahr der Fussball-EM, es war auch das Jubiläumsjahr der Schweizer Nationalmannschaft. 100 Jahre zuvor bestritt sie ihr erstes Spiel, gegen Frankreich. Und verlor sie dieses noch, so fuhr sie schon im zweiten Spiel, gegen Deutschland, den ersten Sieg ein. Dies und die weitere Geschichte der Mannschaft untersucht der Bildband von Werner Bosshard und Beat Jung anhand von Illustrierten von 1908 bis in die 1970er-Jahre hinein. Obwohl der Textteil stets auch die Gegenwart mitdeutet, hat bei den Fotos diese «zeitliche Beschränkung einen Grund: Spätestens in den 1970er-Jahren löste das Fernsehen die illustrierten Zeitschriften als Hauptmedium für Bilder ab.»
Nicht wie üblich um Spieler, Trainer und ihre Erfolge dreht sich dieses Fussball-Buch, sondern um die Fans. Daher ist es auch ein Buch über jene, die die Fussballfans ablichteten oder über sie berichteten. Denn neben Fähnchen, Kuhglocken, Ratschen und anderen Utensilien, sind Zeitungsartikel die wenigen Spuren der schweizerischen Fans, auch wenn in ihrem Zentrum dann doch wieder die Akteure auf dem Rasen stehen.
Durch die vielen Erfolge des frühen schweizerischen Fussballs, gegen Mannschaften wie Frankreich, Italien, Holland, England oder Portugal, wurde er zu einem der ersten massenkulturellen Ereignisse des Landes, und manche Spiele zählten bis zu 60’000 Zuschauer. Dieser Geschichte widmet sich das erste Kapitel, in dem sich Überlegungen zur Massenkultur finden, die vor allem auf Elias Canetti aufbauen. Leider kratzen sie dabei oft nur an der Oberfläche. Wenn etwa die Körpervermessungen der Organisatoren der WM 1954, die danach fragten, wieviel Platz ein Zuschauer höchstens brauche, mit Canettis Satz «die Masse liebt Dichte» erklärt wird, führt das am Zitat und am Thema vorbei, da die Enge von den Zuschauern nicht freiwillig gewählt war.
Der zweite Teil widmet sich den Fotos von Fans und somit Pressefotografen wie Lothar Jeck, Walter Scheiwiller oder Milou Steiner. Von den Zuschauern liess sich damals leichter ein ästhetisches Bild erstellen als vom laufenden Fussballer auf dem Feld. Hier wird dann auch erwähnt, wie sich die Fotografie durch die Erfindung kleinerer Apparate demokratisierte, der Fan als Produzent den Profi ablöste. Doch wäre vielleicht auch die Deutung interessant gewesen, dass das möglicherweise mit ein Grund war, weshalb das Pressefoto ab den 1970er Jahren an Bedeutung verlor: da es neben dem selbstgeschossenen Bild nicht mehr das einzige Erinnerungsstück und insofern keine Besonderheit mehr war.
vorgestellt von Urs Malte Borsdorf, Wien