Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos

Falsch bleibt falsch – auch wenn es legal ist

Selbst wenn jemand nach geltenden Gesetzen nicht verurteilt wird, den eigenen moralischen Kompass muss man deswegen noch nicht ausschalten.

Falsch bleibt falsch – auch wenn es legal ist
Symbolbild. Bild: Unsplash / @tingeyinjurylawfirm.

Es gibt Dinge, die erschrecken mich – nicht, weil sie gegen das Gesetz verstossen, sondern weil sie moralisch fragwürdig sind, obwohl sie legal sind. Dazu erlaube ich mir das folgende Sprichwort zu erfinden: «Falsch ist falsch, auch wenn es richtig umgesetzt wird.» Legalität ist kein Freifahrtschein für Unmoral.

Nehmen wir Meret Schneider, grüne Nationalrätin und Provokateurin. Im September 2023 wurde sie auf X für einen ironischen Kommentar gesperrt, der als Gewaltaufruf verstanden werden konnte – es war nicht ihre erste Sperre. Irgendwann löste sich das Missverständnis und die Plattform schaltete sie wieder frei.

In einem Artikel in der «Sonntagszeitung» vom 16. Februar 2025 zeigte sie selbst aber keine Gnade, obwohl ihr diese von der Plattform gewährt worden ist: «Notfalls müssen X oder TikTok gesperrt werden», forderte sie im Kontext der Regulierung sozialer Medien.

Gerade sie, die gerne bissige Kommentare von sich gibt, ist auf die Meinungsfreiheit angewiesen – um immer wieder auf sich aufmerksam zu machen und im politischen Dschungel nicht in Vergessenheit zu geraten.

Sollte so eine Sperre je legal umgesetzt werden, bliebe die Frage: Ist es richtig, Menschen online den Mund zu verbieten, nur weil es gesetzlich möglich wird? Meine Antwort ist klar: Nein. Meinungsfreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Sie zu beschneiden, bleibt falsch – egal, wie elegant die Regulierung verpackt wird.

«Ist es richtig, Menschen online den Mund zu verbieten, nur weil es

gesetzlich möglich wird? Meine Antwort ist klar: Nein.»

Moralischer Bankrott

Ein weiteres Beispiel liefert Valentin Landmann, ehemaliger SVP-Kantonsrat und Anwalt mit Hang zu kontroversen Fällen. Am 4. Juli 2022 reichte er im Kantonsrat eine Anfrage ein, die darauf abzielte, dass Ukrainerinnen mit Schutzstatus S im Erotikgewerbe arbeiten dürfen.

Die Ironie ist kaum zu übersehen: Die SVP, die sonst Migration eindämmen will, scheint hier plötzlich offen für «Nachschub» zu sein. Dazu muss man sagen, dass Landmann vor allem die Interessen des Zürcher Milieus vertrat, als er im Amt war. Der Regierungsrat wiederum stellte klar, dass dies nicht generell verboten sei, aber jeder Fall einzeln geprüft werde, da die Gefahr der Ausnutzung bestehe.

Genau hier liegt das Problem: Dass niemand zurückschreckt, potenziell traumatisierte Frauen – deren Geschichte man nicht kennt – sexuell auszubeuten, nur weil das Gesetz es erlaubt, verstört mich. Hier wird die Legalität zwar eingehalten. Trotzdem ist es moralischer Bankrott.

Zuletzt noch etwas Haarsträubendes: Am 9. September 2024 berichtete der «Tages-Anzeiger» über einen Schweizer mit sexuell-sadistischen Neigungen, der zwei Frauen als Au-pairs in sein Luxushaus im Kanton Zürich lockte. Mit Hilfe seiner Ehefrau sperrte er sie in einen Käfig: 1,5 Meter lang, 1 Meter breit, 1 Meter hoch, aus Beton und Holz, mit Metallgittern als Tür. Als die Polizei im Juli 2019 das Haus durchsuchte, fand sie eine junge Frau darin schlafend.

Valentin Landmann, wieder er, verteidigte den Beschuldigten. Dieser gestand im abgekürzten Verfahren alle Vorwürfe – Freiheitsberaubung, Menschenhandel, Urkundenfälschung. Landmann betonte: «Mein Mandant hat einen Fetisch mit Bondage-Ästhetik, aber es gab keine sexuellen Übergriffe.» Alles sei einvernehmlich und vertraglich geregelt gewesen.

Das Urteil vom 26. September 2024: 50 Tagessätze à 220 Franken, 36 Monate Freiheitsstrafe, davon 9 Monate unbedingt, plus eine Therapie wegen einer paraphil-narzisstischen Störung. Da der Verurteilte bereits fünf Monate in U-Haft sass, muss er nur noch vier Monate absitzen.

Kann es sein, dass die Brille der «Legalität» unseren inneren moralischen Kompass komplett verschiebt und wir am Ende allem zustimmen, was innerhalb des Gesetzes möglich ist, auch wenn es eigentlich gegen jedes Gewissen geht?

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!