fackeln, Nepp, Nutte…
Es bedarf einiger verlegerischer Hoffnungen, einem grösseren Publikum eine Veröffentlichung über ausgestorbene Gaunersprachgepflogenheiten vorzulegen. Die Gauner gibt es immer noch, das Rotwelsch, ihre bis ins 20. Jahrhundert hinein verwendete Geheimsprache, hingegen nicht mehr. Der bekannte Sprachforscher Hansjörg Roth – er ist auch Verfasser des «Jenischen Wörterbuchs» (2001) – hat in «Barthel und sein Most. Rotwelsch […]
Es bedarf einiger verlegerischer Hoffnungen, einem grösseren Publikum eine Veröffentlichung über ausgestorbene Gaunersprachgepflogenheiten vorzulegen. Die Gauner gibt es immer noch, das Rotwelsch, ihre bis ins 20. Jahrhundert hinein verwendete Geheimsprache, hingegen nicht mehr. Der bekannte Sprachforscher Hansjörg Roth – er ist auch Verfasser des «Jenischen Wörterbuchs» (2001) – hat in «Barthel und sein Most. Rotwelsch für Anfänger» in rund 300 Stichwortartikeln einen Überblick über die teils seltsam klingenden Begriffe gegeben, die im Rotwelschen offenbar in Gebrauch waren. Dabei sind manche Herleitungen etwas gar knapp geraten oder lassen den Leser bisweilen ratlos zurück. Was fängt man mit dem Wissen an, dass beispielsweise das schöne Wort «Manischtanne» um 1820 die Bedeutung «Vertrauter der Gauner» hatte und sich vom «ma nischtannà» (hebr. «Was unterscheidet?»), einem Ritualspruch zum Pessachfest, herleitet? Meistens bleibt auch unklar, wann genau die jeweiligen Wörter zwischen dem 14. und dem 20. Jahrhundert in Gebrauch waren. Die meisten Ausdrücke stammen ohne grosse Umwege aus dem Jiddisch/Hebräischen oder dem Deutschen. Gerne würde man dabei erfahren, auf welchen Wegen Begriffe wie «Polente» oder «fackeln» über das Rotwelsche in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind und gerne würde man mögliche Bedeutungswechsel oder Verwendungen von Begriffen wie «Nepp» oder «Nutte» ausführlicher dargestellt bekommen.
Für ein etymologisches Fachwerk ist das Buch zu knapp geraten, und dem sprachinteressierten Laien bietet es zu wenig Bezug zur heutigen Sprachwelt. Was tun mit diesem durchwegs liebevoll und kenntnisreich geschriebenen 120seitigen Büchlein? Etwas gesucht glaubt der Verlag, der das Buch beim Autor in Auftrag gab, die Herausgabe zu rechtfertigen, indem er vorschlägt, nun könne man «einmal so reden, dass man nicht gleich verstanden werde». Mit Verlaub: das ist wohl kaum das Hauptproblem in unserer schnellkommunikativen Ära von Balkanslang, SMS-Codes und Babelfish. Im Nachwort, das in angenehm skeptischem Ton gehalten ist, bezweifelt der Autor denn auch selbst den Nutzwert seines Buches. Der Rezensent hat hier leider auch keinen Ausweg zu bieten.
vorgestellt von Duke Seidmann, Zumikon
Hansjörg Roth: «Barthel und sein Most. Rotwelsch für Anfänger». Frauenfeld: Huber, 2007.