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«Extremisten» bringen die
Gesellschaft weiter

Radikale Ideen werden oft als Bedrohung gesehen. Dabei ist Angepasstheit nicht weniger gefährlich.

«Extremisten» bringen die Gesellschaft weiter
Malala Yousafzai, eine pakistanische Kinderrechtsaktivistin, wurde im Alter von 15 Jahren von den Taliban angeschossen aufgrund ihres Engagements für die Bildung und die Rechte von Kindern. Bild: Flickr, Southbank Center.

In der Politik und der Akademie ist es üblich geworden, Individuen oder Ideen als «extrem» zu kennzeichnen und sie auszugrenzen. Jüngstes Beispiel ist der libertäre Ökonom Markus Krall, dessen Auftritt an der Universität Zürich abgesagt wurde, nachdem Aktivisten Druck ausgeübt hatten. Solche Massnahmen ersticken nicht nur wichtige Debatten, sondern gefährden auch die Grundpfeiler demokratischer und intellektueller Diskurse. Die Unterscheidung zwischen schädlichem Extremismus und notwendigem radikalem Denken ist entscheidend für den gesellschaftlichen Fortschritt. Die Annahme konstruktiver, gewaltfreier Formen des Extremismus ist für unsere Zukunft entscheidend, im Kontrast zu den oft übersehenen Gefahren des Zentrismus.

Extremismus wird oft negativ wahrgenommen, als Vorzeichen von Gewalt und Zerstörung. Doch die Geschichte zeigt uns, dass jene, die die Grenzen der akzeptierten Normen verschoben haben – und als Extremisten bezeichnet wurden – oft notwendige gesellschaftliche Veränderungen angestossen haben. In seinem grandiosen Buch «What’s Our Problem?» fasst Tim Urban dieses Gefühl effektiv zusammen und argumentiert, dass «nicht die Stärke deiner Überzeugung, sondern die Art und Weise, wie du sie vertrittst, gefährlich ist». Urban weist darauf hin, dass die wahre Gefahr nicht darin liegt, extreme Ideen zu haben, sondern diese Überzeugungen auf eine Weise zu vertreten, die alternative Sichtweisen ausschliesst.

«Die wahre Gefahr liegt nicht darin, extreme Ideen zu haben, sondern diese Überzeugungen auf eine Weise zu vertreten,

die alternative Sichtweisen ausschliesst.»

Albert Einstein bemerkte einst: «Grosse Geister sind immer auf heftigen Widerstand von mittelmässigen Köpfen getroffen.» Dies unterstreicht die entscheidende Rolle von radikalen Denkern bei der Förderung des menschlichen Verständnisses und der gesellschaftlichen Entwicklung. Beispiele für nützlichen Extremismus sind wissenschaftliche Pioniere wie Galileo, Semmelweis oder Wegener und zivilgesellschaftliche Persönlichkeiten wie Martin Luther King Jr., Susan B. Anthony oder Malala Yousafzai, deren extreme Forderungen nach Gleichberechtigung die Gesellschaft umgestalteten. Diese Figuren zeigen, wie Extremismus, wenn er konstruktiv kanalisiert wird, veraltete Normen durchbrechen und Fortschritt fördern kann.

Die subtile Bedrohung des Zentrismus

Während die Beiträge von Extremisten oft dramatisch und offensichtlich sind, ist die Rolle der Zentristen in der Gesellschaft heimtückisch, aber ebenso wirkungsvoll. Zentristen positionieren sich oft als Stimme der Vernunft, die Harmonie über Wahrheit stellt. Diese Anpassungsfähigkeit kann jedoch bestehende Fehler weiterführen, insbesondere in Zeiten moralischen und ethischen Niedergangs.

Beispielsweise haben während des Nationalsozialismus in Deutschland und der Zeit der Rassentrennung in den USA viele Zentristen sich mit den vorherrschenden, aber moralisch verwerflichen Normen arrangiert. Sie passten sich der herrschenden Ideologie an, ohne sich stark einzubringen, und perpetuierten durch ihre Untätigkeit die Ungerechtigkeit. In ihrer Passivität werden Zentristen zu Komplizen, die selten den Status quo in Frage stellen und oft ihren eigenen Status und Komfort auf Kosten des gesellschaftlichen Wohls bewahren.

«In ihrer Passivität werden Zentristen zu Komplizen, die selten den Status quo in Frage stellen und oft ihren eigenen Status und Komfort auf Kosten des gesellschaftlichen Wohls bewahren.»

Indem sie ihren eigenen Mangel an Tugend und Ehre erkennen, stimmen Zentristen häufig ein in den Chor des Zeitgeistes, welcher Andersdenkende als «Extremisten» verurteilt. Diese Verurteilung entspringt oft einem Gefühl der Unsicherheit über ihren eigenen Mangel an Mut und Engagement, für moralische Werte einzustehen. Ihre Verachtung für Extremisten ist also nicht nur eine Meinungsverschiedenheit über Methoden oder Ideen, sondern ein Ausdruck des Neids auf Menschen, die mutig genug sind, ihre Überzeugungen zu äussern und den Status quo herauszufordern.

Echte Inklusion umfasst auch Extremisten

Die anhaltende Ausgrenzung von sogenannten Extremisten und die versteckten Gefahren durch Zentristen unterstreichen die Notwendigkeit eines extremen Ansatzes im gesellschaftlichen Diskurs. Die Annahme von gewaltfreiem Extremismus, gepaart mit Offenheit und kritischer Auseinandersetzung, kann zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Fortschritten führen. Wenn wir über die Rollen von Extremisten und Zentristen nachdenken, wird deutlich, dass Fortschritt oft nicht von denen abhängt, die sich in der Mitte bewegen, sondern von denen, die es wagen, Partei zu ergreifen und etablierte Normen herauszufordern.

Im Sinne der Förderung einer demokratischen und lebendigen Gesellschaft sollten wir eine Vielfalt von Gedanken zulassen, auch solche, die unsere eigenen Überzeugungen herausfordern. Ich fordere Sie auf, sich mit gegenteiligen Meinungen auseinanderzusetzen, anstatt sie abzulehnen. Suchen und berücksichtigen Sie bewusst Perspektiven, die von der Mainstreammeinung abweichen. Indem wir dies tun, bereichern wir nicht nur unser eigenes Verständnis, sondern verbessern auch unsere kollektive Fähigkeit, Neues zu schaffen und uns weiterzuentwickeln. Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt nicht nur von den Ideen ab, denen wir zustimmen, sondern auch von unserer Bereitschaft, uns mit jenen auseinanderzusetzen, denen wir zunächst widersprechen.

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