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Exakt modellierte Zufälle
Bild: Pixabay.

Exakt modellierte Zufälle

Was ein Münzwurf mit dem Zerfall radioaktiver Isotope gemeinsam hat.

Es gibt das Bonmot: «Mathematische Modelle sind alle falsch – aber ein paar sind nützlich.» Das mag in sozialwissenschaftlichen Fragestellungen (Finanzwelt, AHV- und Bevölkerungsprognosen) seine Berechtigung haben. In den Naturwissenschaften gibt es aber mathematische Modelle, die sogar exakt richtig sind.

Bei mehrmaligem, fairem Münzwurf können wir uns fragen, wie lange es dauert, bis Zahl erscheint. Egal, wie lange man schon probiert und gehofft hat: Bei jedem neuen Wurf spielt die Vergangenheit keine Rolle.  Man spricht von Gedächtnislosigkeit. Die sogenannte Zufallsgrösse, welche die Anzahl Würfe beschreibt, bis Zahl eintritt, nennt man geometrische Zufallsgrösse – sie kann Werte der natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4, 5 bis unendlich annehmen.

Vermeintlicher Themenwechsel: Wenn Sie ein radioaktives Isotop beobachten und die Zeit messen, bis es zerfällt, dann ist die Zeitspanne bis zum Zerfall zufällig – man spricht denn auch von spontanem Zerfall. Wie beim Münzwurf spielt auch hier die Vergangenheit keine Rolle, wir haben wieder Gedächtnislosigkeit. Die Zufallsgrösse, welche die Zeit beschreibt, bis ein Isotop zerfällt, nennt man exponentialverteilte Zufallsgrösse – sie nimmt Werte auf dem Kontinuum der reellen Zahlen grösser 0 an. Nach einem Jahr Mathematikstudium beweist man: Wann immer ein zufälliges System gedächtnislos ist, wann immer Forschende feststellen, dass die vergangenen Fehlversuche bis zum Erfolg für die zukünftigen Versuche keine Rolle spielen, dann muss es zwingend entweder die geometrische Zufallsgrösse (bei diskreter Zeitmessung, Typ Münzwurf) oder die exponentialverteilte Zufallsgrösse (bei stetiger Zeitmessung, Typ radioaktiver Zerfall) sein.

In den Naturwissenschaften gibt es also Phänomene, bei denen mathematische Modelle exakt stimmen und die Modellwahl damit zwingend ist. In den Sozialwissenschaften haben wir wegen der Komplexität, fehlender Daten und dem freien Willen der Menschen grosse Vorbehalte gegenüber Aussagen, die auf der Grundlage mathematischer Modelle gemacht werden. Die Modellierung von Epidemien und Klimawandel sind ein interessantes Zwischending, weil dort Menschen mit freiem Willen auf naturwissenschaftliche Phänomene treffen.

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