Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos
EU-Drittstaat und zufrieden
Julian Stöckli, zvg.

EU-Drittstaat und zufrieden

Der Bundesrat muss der Europäischen Union klarmachen, dass eine Teilintegration der Schweiz nicht erwünscht ist.

«Kein Rosinenpicken» – dies sei das einzige, was die EU von der Schweiz wolle. Die Schweiz könne nicht nur die Vorteile übernehmen, sich aber den Nachteilen nicht beugen. Entweder ganz oder gar nicht, nicht etwas dazwischen. Diese Sätze hören wir ständig, doch was bedeuten sie eigentlich?

An einer Veranstaltung zum dreissigjährigen Bestehen des Europa-Instituts an der Universität Zürich im Herbst 2022 liess eine Aussage des EU-Botschafters in Bern, Petros Mavromichalis, aufhorchen: Das institutionelle Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU, sagte er in seinem Referat, sei EU-Innenpolitik, nicht EU-Aussenpolitik. Implizit heisst dies, dass er die Schweiz als teilintegriert und Teilmitgliedstaat betrachtet. Als teilintegrierter Staat muss die Schweiz somit das ganze Paket übernehmen, und es gibt keine Kompromisse, wie das in normalen aussenpolitischen Verträgen üblich ist.

Die Kompromisslosigkeit des Systems «all in or out» ist auf den Binnenmarkt und die Personenfreizügigkeit mit Teilintegration zurückzuführen, also auf eine Teilunterstellung unter EU-Legislative und den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dass wir bisher beides haben, aber nicht dem EuGH unterstellt sind, will die EU nun nicht mehr akzeptieren. Deswegen drängt sie auf ein institutionelles Rahmenabkommen.

Wir können nun darauf hoffen, dass die EU doch noch einwilligt, und machen uns damit zur Bittstellerin, die anderweitige Zugeständnisse anbieten muss. Oder wir fragen uns, ob wir einen Teil unserer Souveränität abgeben wollen. Wenn das nicht der Fall ist, sollten wir konsequent sein und den Zugang zum Binnenmarkt und zur Personenfreizügigkeit aufgeben.

Die Teilhabe am Binnenmarkt bringt für die Schweiz die Unterstellung unter die planwirtschaftliche und sozialdemokratische Tendenz des EU-Gesetzgebers, ohne dass sie diese beeinflussen kann. Kommt es zu einem Streitfall, ist sie auf den integrationsfreundlichen EuGH angewiesen. Dem Freiheits- und Selbstbestimmungsverlust der Binnenmarktteilhabe ist das Modell des Freihandelsvertrags, den wir seit über 50 Jahren haben und dessen Anwendungsbereich erweitert werden könnte, vorzuziehen. Verzerrungen des Wettbewerbs durch Regulierungen können durch Ausgleichsmassnahmen entschärft werden, deren Rechtmässigkeit ein Ausschuss aus Richtern des EuGH und des Bundesgerichts überprüfen könnte.

Weil die Personenfreizügigkeit zu den Grundfreiheiten der EU zählt, ist eine aussenpolitische Lösung für sie schwierig. Die Lösung für die Schweiz ist es, statt der grossen Personenfreizügigkeit ein klar abgegrenztes Instrument einzuführen: fremdenrechtliche Gegengewährung. Jede Partei bestimmt autonom, unter welchen Voraussetzungen die Bürger der anderen Partei einreisen dürfen. Im Gegenzug gewährt die andere Partei jeweils Gegenrecht. Die niedrigste Hürde wird auf beide Seiten angewandt. Eine Tieferlegung der Schwelle wäre immer möglich; eine Erhöhung dagegen bedarf der Verhältnismässigkeit, die durch ein Gremium von Richtern des EuGH und des Bundesgerichts überprüft wird.

Eine weitere Institutionalisierung der Beziehungen sollte die Schweiz verhindern, denn sie ist weder notwendig noch vorteilhaft. Also muss der Bundesrat folgendes Framing klarmachen:

  1. Die Teilintegration der Schweiz in die EU ist unerwünscht.
  2. Die Schweiz will zu 100 Prozent Drittstaat sein.
  3. Die EU und die Schweiz sollen als aussenpolitische ­Akteure zueinander stehen.

So wird auch klargemacht, dass eine Zuständigkeit des EuGH gar nicht in Frage kommen kann, da sie diametral dem völkerrechtlichen Prinzip der Gleichheit souveräner Staaten widerspricht.

Mit dieser Lösung können die Schweiz und die EU miteinander Waren und Dienstleistungen handeln und einander freien Personenverkehr gewähren, wie es souveräne und weltoffene Gemeinschaften machen. Aber die Schweiz wird nicht schleichend Teil des Gebildes, sondern bleibt dezidiert ausserhalb. In Achtung ihrer liberalen Tradition ist das für das nationale Interesse der Schweiz der vorteilhafteste Weg, um souverän und demokratisch zu bleiben.

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!