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«Es ist nichts falsch daran, eine Person umzubringen, die die Redefreiheit unterdrückt»
Joe Lonsdale, zvg.

«Es ist nichts falsch daran, eine Person umzubringen, die die Redefreiheit unterdrückt»

Meinungsfreiheit ist noch wichtiger als Unternehmertum, sagt der texanische Unternehmer Joe Lonsdale. Die Zukunft der USA sieht er aller Probleme zum Trotz optimistisch.

Read the English version here.

Ich treffe Joe Lonsdale im Anwesen, in dem er mit Familie wohnt und arbeitet, zwanzig Autominuten ausserhalb von Austin, ­Texas. Von einem Sicherheitsbeamten durch die Schranke ­g­elassen, empfängt mich 300 Meter weiter ein weiterer ­Sicherheitsbeamter. Statt mich zu durchsuchen, bittet er mich höflich, vorsichtig zu sein beim Einparken. Vorbei an einem ­riesigen Pool geht’s direkt ins gekühlte Sitzungszimmer.

Joe Lonsdale, Sie sind mit 41 Jahren noch jung, doch bereits ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Bevor Sie Ihre Risikokapitalfirma 8VC gründeten, haben Sie Unternehmen wie Palantir, Addepar, OpenGov und Affinity gegründet.

Ja, ich habe eine Handvoll Unternehmen gegründet, ein paar andere haben sich ziemlich gut entwickelt. Ein oder zwei haben nicht so gut funktioniert. Aber es ist gut, aus Fehlern zu lernen.

 

Was macht einen guten Unternehmer aus?

Das Tolle an den Märkten im Kapitalismus und am Unternehmertum ist, dass es viele richtige Wege gibt. Ich versuche, die Welt so zu sehen, wie sie ist und wie sie sein könnte, und probiere, die grossen konzeptionellen Lücken in der Welt zu finden. Wenn wir ein Unternehmen gründen, haben wir normalerweise eine richtungsweisende Meinung, und dann lernen wir und passen sie an.

 

Für den Aufbau neuer Unternehmen verwenden Sie das 8VC-Aufbauprogramm. Wie funktioniert das?

Die Kultur unserer Firma basiert darauf, dass wir selbst Unternehmer sind. Unternehmer an Bord zu holen, die etwas aufbauen wollen, stärkt die Kultur in unserem Team. Wenn man etwas aufbaut, lernt man auf eine Weise dazu, wie man das sonst nicht könnte. Dabei befruchten sich zwei Dinge gegenseitig: Wenn ich unternehmerisch tätig bin, kann ich besser investieren; wenn ich investiere, kann ich besser unternehmerisch tätig sein.

 

Im Gegensatz zu vielen Unternehmern teilen Sie Ihre Meinung offen mit, zum Beispiel zu X.

Die Leute haben keine Angst zu sagen, was sie denken, wenn ihre Gedanken mit den gängigen politisch korrekten Haltungen einhergehen. Aber wenn Sie eine Meinung haben, die nicht politisch korrekt ist, wenn Sie zum Beispiel mit Bjørn Lomborg oder Steven E. Koonin übereinstimmen, dann werden die Leute versuchen, Sie zu eliminieren. Ich gehöre zu den Menschen, die in meiner Generation die grössten Unternehmen in Amerika gegründet haben. Daher fühle ich mich verpflichtet, anderen zu zeigen, dass es möglich ist, die Stimme zu erheben und zu sagen, was man glaubt. Für mich ist das Unternehmertum sehr wichtig. Aber noch wichtiger ist es, in einem freien Land mit freier Meinungsäusserung und Verfassungsgrundsätzen zu leben, die uns schützen. Ich habe grosse Angst vor dem, was ich derzeit in Europa sehe, wo Menschen ins Gefängnis kommen, weil sie beleidigend sind. Die Menschen in Europa sind feige – wenn sie so was hier in Amerika versuchen würden, würden wir sie aufhalten. Wir haben eine Menge Waffen.

 

Sie sind offensichtlich ein Maximalist der Redefreiheit.

Ich denke, es ist nichts Falsches daran, eine Person zu ermorden, die die freie Meinungsäusserung unterdrückt. Ich werde bis zum Tod für mein Recht auf freie Meinungsäusserung kämpfen. Man könnte denken, ich sei verrückt, so etwas zu sagen. Aber es tut mir leid: Das ist der Grund, warum ich Freiheit habe und ihr nicht. Der zweite Zusatzartikel zur US-Verfassung schützt den ersten.

 

Sie sprechen viel über klassische Tugenden und den Vorrang der Familie. Warum sind Tugenden für Sie so wichtig?

Wenn man sich die Geschichte des Westens ansieht, stammt vieles von dem, was wir wissen, aus der klassischen Welt. Ich will damit nicht sagen, dass die klassische Welt unbedingt besser war. Aber sie wussten bereits, was ein gutes Leben, einen guten Führer oder einen guten Staat ausmacht. Die Kerntugenden, die wir von dort lernen – Mässigung, Gerechtigkeit, Weisheit, Mut –, sind allesamt entscheidend. Ohne eine dieser Tugenden werden Ihr Leben und Ihre Gesellschaft in die falsche Richtung gehen. Und ohne Mut kann man keine der anderen Tugenden haben, weil man nicht für das Richtige eintritt.

 

Sie unterstützen Donald Trump als Präsidentschaftskandidaten. Warum?

Die aktuelle Regierung hat sich als korrupt und inkompetent erwiesen. Sie greift viele Menschen, darunter auch viele meiner Freunde, auf lächerliche und offenkundig missbräuchliche Weise an. Sie gibt Milliarden von Dollar aus, um die Wirtschaft anzukurbeln, aber die Gesamtwirkung ist gering, wegen all ihrer sogenannten DEI-Regeln (Diversity, Equity and Inclusion), einem marxistischen Konzept, das besagt, dass man Projekte hauptsächlich mit Auftragnehmern aus Minderheiten oder mit Frauen durchführen müsse. Es entstehen derzeit Bauverzögerungen, weil nicht genügend Bauarbeiterinnen zur Verfügung stehen. Das ist doch ein Witz!

 

Was unterscheidet Texas vom Rest der USA oder dem Rest der Welt?

Texas hat eine sehr interessante Geschichte. Aus den Kämpfen gegen die Stämme der Comanchen gingen sehr starke Männer und Frauen hervor. Wenn Menschen hart kämpfen und zäh sein müssen, schafft das einen bestimmten Geist. Das hat die Cowboys hervorgebracht, Menschen, die für ihre Rechte einstehen, Menschen, die mutig sind. Das ist der Geist der Republik, unabhängig und freiheitsliebend. Wenn man versucht, uns zu verbieten, etwas zu sagen, sagen wir es. Wir lassen uns nicht kontrollieren.

 

Wie sehen Sie China? Das Land nutzt den Kapitalismus, verhält sich aber autoritär und kontrollierend.

Vor 15 Jahren war ich noch sehr optimistisch. Ich dachte, es sei offensichtlich, dass China die Freiheit und die Märkte auf eine gute Art und Weise nutzen und sich mehr in Richtung Freiheit bewegen würde. Ich war sehr naiv: Xi Jinping hat das alles rückgängig gemacht. Ich bin optimistisch, was das chinesische Volk angeht, aber skeptisch, was die Kommunistische Partei Chinas angeht.

 

Wie sind Sie mit dem chinesischen Volk verbunden?

Die Chinesen sind uns in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich. Aber keiner meiner Freunde dort würde heute ein Unternehmen aufbauen wollen. Sie sind verängstigt: Einige verschwinden, andere fliehen. Ich hatte einen Freund, der letztes Jahr nach Peking ging, Andy Tian, CEO und Mitgründer der Asia Innovations Group. Er hatte eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob er mit einem Unternehmen in China an die Börse gehen sollte oder nicht. Zwei Wochen später ist er angeblich im Schlaf gestorben, er war 47 Jahre alt. Ein ziemlich grosser Zufall, oder? Ich denke, dass China ein mörderisches Regime ist, das seine besten Unternehmer davon abhält, sich zu entfalten.

 

Wie schätzen Sie Chinas KI-Fähigkeiten ein?

Ich denke, sie liegen weit hinter den USA zurück, aber sie haben viele kluge Leute. Und sie sind auch gut im Stehlen. Es ist also gut möglich, dass sie aufholen werden.

 

Welche Rolle spielt KI in Zukunft bei der Verteidigung?

Amerika hatte im Zweiten Weltkrieg die beste Marine, weil wir mit unserer industriellen Kapazität viel mehr Schiffe herstellen konnten. China hat derzeit mehr als das 100-Fache unserer Schiffbaukapazität, was beängstigend ist. Eine Frage ist, wie man grosse Mengen von kleineren und intelligenten Drohnen und andere Arten von autonomen Schiffen produzieren kann, die sich koordinieren können. Hier in Austin zum Beispiel hat eines unserer Unternehmen verschiedene Entwürfe für zwei, drei und fünf Meter lange, waffenfähige autonome Schiffe entwickelt. Wir sind jetzt in der Lage, Tausende und möglicherweise Zehntausende davon zu produzieren, was die US-Marine um ein Vielfaches leistungsfähiger machen wird, und das zu einem sehr günstigen Preis im Vergleich zu den Kosten für grosse Schiffe. Der Schlüssel dazu sind die KI-Frameworks, die sie koordinieren. Sie können von Menschen gesteuert werden, wie in einem Videospiel.

«China hat derzeit mehr als das 100-Fache unserer Schiffbaukapazität, was beängstigend ist.»

 

Für welche Bereiche wird das relevant sein?

KI wird sowohl auf dem Meer als auch in der Luft mit Drohnen eine Rolle spielen. Und dann ist da natürlich noch der Weltraum. Die grosse Frage ist, ob wir den Weltraum bewaffnen sollten oder nicht. Das meiste Geld, das wir derzeit ausgeben, wird verschwendet, weil es an spezielle Interessen gebunden ist. Im Bereich der Verteidigung wird sich sehr schnell viel
ändern.

 

Wenn sich die Dinge schnell ändern, werden die Menschen Angst vor diesen Veränderungen haben. Wie steht es um die KI-Sicherheit?

Am meisten Angst macht mir die KI nicht wegen ihrer eigentlichen Funktion, zumindest nicht in den nächsten Jahren, sondern weil sie von Menschen für schädliche Zwecke eingesetzt werden kann. Das wirft die Frage nach der Cybersicherheit auf, mit der wir uns alle beschäftigen sollten. In vielen Teilen der Welt wird in diesen Bereich nicht ausreichend investiert. Ich glaube nicht, dass die Regierung in der Lage sein wird, die Dinge rechtzeitig zu stoppen. Es wird die Industrie sein, die klug genug ist, anderen Industrien dabei zu helfen, Dinge im Voraus zu stoppen. Natürlich muss es geeignete Justizsysteme geben, die dabei helfen, Leute zu verfolgen und zu bestrafen, die diese Macht missbrauchen.

 

Wie sehen Sie die Rolle der Vereinigten Staaten als Weltpolizist?

Ich mag die Idee eines Weltpolizisten nicht, aber in gewissem Sinne sind die Pax Britannica und die Pax Americana keine völlig furchtbaren Dinge. Es hat etwas Nützliches, wenn die bösen Jungs Angst davor haben, dass es gute Jungs in der Welt gibt. Wer Frachtschiffe bedrängt, wird in die Luft gesprengt. Aber Amerika kann nicht jede Schlacht schlagen und hat sich, zum Beispiel im Nahen Osten, als ziemlich inkompetent erwiesen.

 

Sie sind der Vorsitzende des Kuratoriums der neugegründeten Universität von Austin. Warum engagieren Sie sich dort?

Leider sind die meisten Universitäten in Amerika von der Linken erobert worden. Ein Teil der Kultur der Linken besteht heutzutage darin, zu sagen, dass man keine eigene Meinung haben darf, dass man mitmachen muss, dass man Tugendhaftigkeit signalisieren muss. Diese Kultur finde ich sehr beängstigend. Deshalb möchte ich zumindest eine grosse Universität in Amerika haben, an der wir das offene Streben nach Wahrheit und die Debatte fördern. Mit Menschen, die mutig sind und ihre eigene Meinung haben.

 

Wie ist Ihr Ausblick auf die Zukunft Amerikas?

Generell bin ich sehr optimistisch für Amerika, weil wir uns ständig neu erfinden und neue Dinge aufbauen können. Viele Institutionen sind in der letzten Generation von illiberalen Kräften übernommen worden, die keine Fans unseres Landes und des Kapitalismus sind. Wir können uns nur wehren, indem wir neue Institutionen aufbauen. Wir werden neue Medien, neue Universitäten, neue Gesundheitssysteme und neue Verteidigungsunternehmen aufbauen, die nicht dekadent, korrupt und langsam sind. Das ist die Art und Weise, wie Amerika alle anderen Länder der Welt schlagen wird. Wir zeigen der ganzen Welt, dass wir führend sind, wenn wir neue Dinge schaffen. 

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