
Es begann mit 20 Abonnenten
Gegründet von Gegnern des Völkerbunds, prägt diese Zeitschrift seit einem Jahrhundert die Debatten. Ein so langes Leben hätte 1921 niemand erwartet.
Sie beabsichtigten nicht, eine Zeitschrift ins Leben zu rufen, die einmal ihr 100-Jahr-Jubiläum feiern würde. Den Gründern ging es um die Gegenwart. Und die war besorgniserregend. Am 16. Mai 1920 hatte das Schweizer Stimmvolk den Beitritt zum Völkerbund beschlossen. Die Gegner des Völkerbunds reagierten darauf mit einem «Volksbund für die Unabhängigkeit der Schweiz», der das Ziel verfolgte, die Schweiz zur Rückkehr zur «integralen» Neutralität zu bewegen. Dazu sollte auch eine Zeitschrift beitragen: die «Schweizerischen Monatshefte». Schon zwei Wochen nach der Abstimmung wurde in Basel eine Genossenschaft gegründet, die als Trägerin der Zeitschrift auftrat. Die Protagonisten, mehrheitlich bildungsbürgerliche und konservative ältere Herren, waren germanophil. Sie verbanden die staatliche und kulturelle Eigenständigkeit der Schweiz mit einer engen Verbindung zur deutschen Kulturnation. Gleichzeitig bekämpften sie die préponderance française, welche sie in der Versailler Friedensordnung verankert sahen.
Das jüngste Gründungsmitglied war der Aargauer Industriellensohn Hans Oehler, ein studierter Philosoph. Er schrieb erst für das Feuilleton der NZZ und wurde dann zum ersten Redaktor der «Monatshefte» ernannt – da man offenbar das französische Wort Redacteur vermeiden wollte, zum Hauptschriftleiter.
Die Zeitschrift startete mit argen Schwierigkeiten. Der Basler Verleger sprang bei erster Gelegenheit ab. Die Nachfrage hielt sich in engen Grenzen: 20 Abonnenten. Kaum Besprechungen in anderen Organen. Ablehnung in der Westschweiz natürlich. Sackweise Retournierung von Heften, die an Interessenten geschickt worden waren. Dann aber ging es endlich doch bergauf.
Aufstieg und Absetzung von Hans Oehler
Die «Schweizer Monatshefte» waren unter Oehlers Leitung konservativ. Liberale Ideen wie Individualismus und Parlamentarismus wurden abgelehnt, Deutschfreundlichkeit wie Frankophobie beibehalten. Während die Innenpolitik kritisch beurteilt wurde, fanden der aufkommende Faschismus und seine schweizerische Spielart Frontismus eine positive Aufnahme. Oehler übernahm nach und nach die publizistische Kontrolle über die Zeitschrift und drängte den Vorstand zurück. Er hielt die liberale Staatsform der Schweiz, die repräsentative Demokratie, für überholt. Sie sollte durch eine vormoderne ständestaatliche Eidgenossenschaft auf genossenschaftlicher Grundlage ersetzt werden. Die Französische Revolution sollte rückgängig gemacht werden. Völkisches Vokabular machte sich breit, und als Autoren kamen immer mehr Frontenfreunde wie Robert Tobler zu Wort. Erst recht nach Hitlers Wahl zum Reichskanzler am 30. Januar 1933. Die «Schweizer Monatshefte» wurden zum frontistischen Kampfblatt.
Allmählich ging dies dem Vorstand zu weit. Hektor Ammann und Fritz Rieter versuchten Oehler mit einem neuen Anstellungsvertrag zu disziplinieren. Erfolglos. Ende 1933 musste Oehler gekündigt werden. Mit seinem Abgang war allerdings kein radikaler Kurswechsel verbunden. Der Vorstand wandte sich nicht gegen die Frontenbewegung, sondern gegen die Einseitigkeit, mit der sie propagiert worden war.
«Schon während des Zweiten Weltkriegs, und erst
recht danach, gaben sich Intellektuelle aus ganz Europa die Ehre.»
Oehlers Nachfolger wurde 1934 der Rechtsanwalt Jann von Sprecher. Unter seiner Leitung blieb das Organ deutschfreundlich, was sich aber mit den Jahren und der politisch-militärischen Entwicklung in Deutschland abschwächte. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs versuchte von Sprecher die Welt- und Kriegslage kontinuierlich zu analysieren. Noch mehr als früher wurde dabei die Eigenständigkeit der Schweiz betont.
Die liberale Wende mit Röpke, Hayek und Mises
Stets waren die «Schweizer Monatshefte» eine Autorenzeitschrift. Das hatte zwei Vorteile: Man las sich nicht stumpf an den Meinungen immer derselben Redaktoren, und man profitierte von der Frischluft auswärtiger Federn. So konnte man die hellsten Köpfe zu Wort kommen lassen, nicht nur der Schweiz. Schon während des Zweiten Weltkriegs, und erst recht danach, gaben sich Intellektuelle aus ganz Europa die Ehre. Der Ökonom und Sozialphilosoph Wilhelm Röpke wurde zu einem Hausheiligen und Repräsentanten der liberalen Wende. Denn…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1085 - April 2021 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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