Erinnerung als künstlerischer Impuls
Videoarbeiten im Kunsthaus Bregenz
Wie die Kunstmuseen in Chur, St. Gallen und Vaduz, mit denen es eng zusammenarbeitet, macht das 1997 vom Schweizer Architekten Peter Zumthor erbaute Kunsthaus Bregenz immer wieder mit aussergewöhnlichen Ausstellungen auf sich aufmerksam. In der Jahreszeit des Zurückblickens und Ausschauhaltens werden verschiedene Aspekte des Erinnerns gezeigt. «Remind…» heisst die Ausstellung schlicht und drückt damit genau das aus, was die bewegenden Bilder in den einzelnen, abgedunkelten Stockwerken des Kunsthauses sein wollen: Erinnerungen an Lebensumstände oder Angstträume, die es nicht mehr geben darf, Erinnerungen an eine Architektur, die längst ihrer ursprünglichen Aufgabe entbunden wurde und eben nur noch von Erinnerungen bevölkert wird. Alle Künstler und Künstlerinnen haben sich international einen Namen geschaffen und überzeugen nachhaltig mit ihrem individuellen Umgang mit der immer noch schwierigen Kunstgattung Videoinstallation.
So sperrt der heute in Paris lebende und arbeitende albanische Künstler Anri Sala, 1974 in Tirana geboren, den einsamen Tiger des verlassenen und verwahrlosten Zoos seiner Geburtsstadt im Untergeschoss des Kunsthauses ein. Dieser Zoo, unter Enver Hoxhas Diktatur ausschliesslich mit einheimischen Tieren bevölkert und nach dem Zusammenbruch des Kommunismus mit afrikanischen Tieren ergänzt, um «möglichst schnell den Anschluss an die westliche Welt zu finden», repräsentiert das Schicksal einer isolierten Gesellschaft. In der 2001 geschaffenen Videoarbeit «Arena» werden die Gefangenschaft der Tiere und der Zerfall der Zooanlagen zum Zeichen menschlicher Tragik und gesellschaftlicher Auflösung.
Die 38-jährige englische Künstlerin Tacita Dean, selbst an einer Knochenkrankheit leidend, stellt im 1. Obergeschoss des Kunsthauses den Architekten Robert Steane, mit dem Übernamen «Boots», vor. Steane, infolge eines Autounfalls schwer gehbehindert, wurde in einer leerstehenden Art-déco-Villa in Portugal jeweils in der Abenddämmerung gefilmt und erzählt eine Wunschgeschichte über sein (fiktives) Verhältnis mit der früheren Hausherrin. Für die speziell für Bregenz konzipierte Filminstallation ist das ganze Stockwerk in «Schaukästen» unterteilt und simuliert so die heutige Eingeschränktheit des sich an Krücken fortbewegenden Mannes gegenüber seiner beweglichen Erinnerung.
Auch im 2. Obergeschoss geht es um ein Haus. Der Betrachter wird von mehreren grossen Leinwänden umringt, die ihn in eine vordergründig überblickbare Umgebung versetzen. «The House», 2002 von der 1959 geborenen Finnin Eija-Liisa Ahtila als DVD-Installation für drei Projektionen mit Ton konzipiert, will aber keine klare Einsicht vermitteln. Vielmehr soll in der 14-minütigen Geschichte einer Frau, die in ein Haus im Wald einzieht, die Subjektivität der Wahrnehmung sichtbar werden. Mit den vordergründig schönen, aber verwirrenden Bildern rückt die heute so aktuelle Frage nach dem Wert der Wahrnehmung ins Zentrum.
Das englische Geschwisterpaar Jane und Louise Wilson, 1967 in Newcastle-upon-Tyne geboren, präsentiert im 3. Stock des Kunsthauses – dort wo noch vor kurzem die aus 25 Tonnen blutrot eingefärbter Vaseline bestehende Farblandschaft des englisch-indischen Künstlers Anish Kapoor sich ausbreitete – ihr «bisher ambitioniertestes Werk», wie sie es selbst bezeichnen. «A Free and Anonymous Monument» ist eine auf 13 Grossleinwände projizierte Filminstallation, die mit den dargestellten Fabriken, Parkhäusern und einer Bohrinsel den Eindruck von Weitläufigkeit vermittelt. Die Erinnerung an den früheren Zweck der Gebäude in Gegenüberstellung zu ihrer gegenwärtigen Nutzung, das Wechselspiel von Form und Funktion eröffnen hier eine neue Dimension des Sehens.
Die Ausstellung «Remind….» dauert bis 11. Januar 2004. Weitere Informationen finden sich unter www.kunsthaus-bregenz.at
Die Juristin Juliana Schwager-Jebbink berichtet für die Schweizer Monatshefte über Kunstausstellungen. Sie lebt und arbeitet in St. Gallen und Zürich.